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Alt 02.04.2005, 00:00
Gast
 
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Standard Keine Ahnung wie es weitergehen soll?!

Hallo Sylvi
ich beantworte Deine Frage gerne, ich hoffe nur, dass ich Dir nicht alle Hoffnung nehme. Denke bitte daran, dass jeder Krankheitsverlauf ganz individuell ist und Hoffnung ein wichtiger Punkt ist, die Krankheit psychisch zu verarbeiten. Alle Statistiken, die es zu lesen gibt, sind eben Durchschnittswerte - es gibt immer wieder den Fall: "einer kam durch" lass Dich bitte nicht entmutigen.

Aber hier erstmal etwas ausführlicher zu der Erkrankung:

Bei Klaus (meinem Partner, 62 J.) war es so, dass er im letzten Sommer Sehstörungen hatte - er sah immer mal wieder rote Punkte... der Augenarzt hatte keine Erklärung und das Thema war damit für ihn erledigt. Dann kam ein Taubheitsgefühl in der linken Kopfhälfte dazu, welches von mal zu mal, wenn so ein Anfall kam, weiter in den linken Arm zog und dann bis zur Hüfte, bis ins Bein und dann kam es zu epileptischen Krampfanfällen der gesamten linken Körperhälfte.
Aufgrund eines schweren Herzinfarkts vor 5 Jahren ging Klaus sofort zum Arzt, Überweisung zum Kardiologen - kein Befund - alles bestens! Die nächste Überweisung zum Orthopäden, wieder Wartezeit bis zum Termin, Diagnose eingeklemmter Nerv im Halswirbelbereich, der diese Lähmungen auslösen könnte, also Krankengymnastik, Massage etc... Nach dem ersten epil. Anfall habe ich darauf bestanden, dass er sofort zum Neurologen ging, EEG wurde gemacht und sonstige Untersuchungen und der Neurologe überwies ihn sofort zur CT des Kopfes.
Dort wurde dann CT und aufgrund des Ergebnisses auch noch ein MRT gemacht, der Radiologe sagte nix, nur das Klaus sich mal schnell wieder beim Neurologen melden sollte.
Der hat uns dann am 21.9.04 gesagt, dass es sich um Auswirkungen durch Metastasen handelt und der Primärtumor noch gefunden werden müsse. Also möglichst noch am selben Tag ab ins Krankenhaus.
Klaus wollte nicht, da wir einen Urlaub für Anfang Oktober gebucht hatten, er fand das alles nicht so schlimm mit den Metastasen, war ihm nicht bewusst, was das eigetnlich bedeutet. Ich hab ihm dann die Meinung gesagt und das seine Gesundheit ja wohl wichtig sei und er ist am nächsten Morgen sofort ins Krankenhaus gegangen.
Dort wurde sehr schnell der Primärtumor in der Lunge gefunden, Adenoca., - bei einem Kampfraucher auch eigentlich kein Wunder.
Dann gabs erst 10 Tage Bestrahlungen (ambulant) mit starker Kortisongabe, um die Ödeme um die Metas abzubauen, die Bestrahlungen hat er soweit ganz gut vertragen, bis auf den Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn und seiner wirklich tollen Haare. Der Geschmackssinn kam nach einigen Wochen zum Teil zurück, allerdings nur die Hauptrichtung Süss, sauer, salzig, bitter. Die Feinabstufung fehlt immer noch, hängt viellicht auch mit dem bisher immer noch fehlenden Geruchssinn zusammen. Ich weiss nicht, ob der überhaupt zurückkommt???
Die Haare spriessen zwar zaghaft, aber in den letzten 2 Wochen doch verstärkt wieder.

Dann gings mit Chemo weiter, eine Kombitherapie auf Cisplatin und Vinorelbin, 2 Tage stationär im Krankenhaus, danach im Abstand von 8 Tagen 2 mal ambulant, dann wieder 2 Tage stationär, immer im 21 Tage-Zyklus.
Leider hat er während der ersten stat. Chemo eine starke Gürtelrose bekommen, die vorrangig behandelt werden musste, dann eine starke Bronchitis, aufgrund von Antibiotika wurde wieder die Chemo verschoben. Endlich gabs dann die zweite stat. Chemo, danach eine akute Schleimbeutelentzündung im Ellbogengelenk, also wieder Antibiotika, die Gürtelrose kam auch wieder durch, also weiter Medikamentenhämmer.. und wieder keine ambulante Chemo.. Die Blutwerte waren zudem auch im Keller.
Nach dem 2. Zyklus - also faktisch nach 2 stat. Chemos gabs eine Zwischenuntersuchung wie geplant, mit dem Ergebnis, die Chemo bringt nichts, der Tumor in der Lunge wächst allerdings auch nicht. Nach der zweiten Chemo schlief er 20 bis 22 Stunden täglich (er schlief wirklich tief und fest) und dann kam bei der Kontrolluntersuchung des Kopfes Anfang Januar raus, dass die Metas noch da sind - nicht alle und nicht mehr ganz so gross- aber halt nicht weg und somit ist das Problem nicht vorrangig die Lunge sondern der Kopf. Da ist laut dem Arzt nichts zu machen, die event. Teilnahme an einer Studie könne allenfalls seinen Zustand etwas verbessern, aber sein Leben nicht verlängern und wie lange das noch dauert, dazu äusserte sich niemand konkret.

Nach allem, was ich zwischenzeitlich gelesen hatte, hat er vielleicht noch ein paar Monate, vielleicht auch nicht.. Ich bin mein Leben lang immer sehr realisitisch gewesen und träumen bringt bei dieser Krankheit auch nichts, Klaus ist ein unheimlicher Optimist, er war immer überzeugt, das alles wieder gut wird, nach dem Gespräch mit dem Arzt im Januar war er sehr geknickt und ich hatte alle Mühe, ihm gut zuzureden.
Dann begann er, seine Papiere zu ordnen, eine Patientenverfügung zu erstellen und alles, was sein muss, zu erledigen, damit er den Kopf frei bekommt und hoffentlich die noch verbleibende Zeit mit ein paar netten Unternehmungen verbringen kann - solange es der Zustand erlaubt.
Der Arzt bot ihm im Januar eine Teilnahme an einer Klinikstudie an, mit Iressa - um zumindt die Lebensqualität etwas zu verbessern.... und wahrscheinlich auch, um Klaus nicht das Gefühl zu geben, da könne man nichts mehr machen.
Seit Mitte Februar nimmt Klaus nun täglich dieses Mittel, ein paar kleinere Nebenwirkungen - mit denen er gut klarkommt - sind nicht zu vermeiden, Gürtelrose brach zwischenzeitlich auch mal wieder durch...
aber alles in allem muss ich sagen, dass wir im Okt / Nov / Dez. sehr häufig den Notarzt bei uns hatten wegen aller möglichen Probleme - massive Kreislaufbeschwerden, Atemnot etc...
seit es keine Chemo mehr gibt, gibt es auch diese Probleme nicht mehr - kein Notarzt - kein Krankenhaus, nur noch Kontrolltermine, Klaus ist insgesamt etwas wacher, unternimmt wieder mal etwas - kleiner Spaziergänge, Aufräumarbeiten zu Hause, Essen kochen und alles , was ihm etwas Spass macht.
Leider muss ich ja ganztags arbeiten, da ist er viel alleine und es ist ihm schon langweilig - seine sog. Freunde haben sich nach und nach alle verkrümmelt.. auch eine nicht seltene Nebenwirkung dieser Erkrankung..

Aus meiner Sicht kann ich sagen, dass ich anfangs durch all die neuen Informationen völlig überfordert war, ich hab mit massiven Angststörungen reagiert, konnte in keinen Bus mehr steigen, war den gesamten Nov. krank, hab zum Glück einen sehr verständnisvollen Chef, bin seit Dez. wieder in der Lage, zu arbeiten (nehme allerdings regelmässig ein Beruhigungsmittel auf Anraten des Arztes)... und wenn ich merke, es wird zuviel, dann nehm ich ein / zwei Tage Urlaub.

Ich weiss, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt ist und wir leben von einem Tag zum nächsten, geniessen die Zeit, die wir zusammen haben, vielleicht schaffen wir es ja, nochmal einen Urlaub zu machen. Mir hilft es, in diesen kleinen Etappen zu denken und zu leben.
Anfangs waren meine Gedanken 24 Stunden Krebs.... mittlerweile weiss ich, ich muss auch mal abschalten und es geht. Nach 6 Monaten ist die Krankheit Teil unseres Lebens geworden, es wieder etwas "Normalität" eingekehrt und das ist wichtig.

Aber es gibt sie, diese schweren Momente, die unendliche Traurigkeit, die Angst... das lässt sich einfach nicht verdrängen und oft hilft nur noch weinen..

Ich verstehe Dich wirklich gut - Du bist hier im Forum nicht alleine mit Deiner Angst.
Wir brauchen alle viel Kraft, um das durchzustehen, zu verarbeiten, unsere Partner optimal zu unterstützen, nicht zu verzweifeln..

Ich wünsche Dir und allen anderen hier ein hoffentlich ruhiges Wochenende Gaby
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