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Alt 11.10.2002, 19:11
Gast
 
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Standard Ich möchte kein Robinson mehr sein

Hallo liebe liebe Carlotta, liebe Petra und alle anderen,

ich bin vor 3 Jahren und 2 Monaten an BK erkrankt(pT1b NO (O/12) MX G3 ER-PR-), damals mitten in meinem 2. Staatsexamen (Lehramt Sonderschule). Da ich brusterhaltend operiert worden bin, erhielt ich drei Doppelzyklne Chemo nach dem CMF Schema und anschliessend noch Bestrahlung.
Ich bin nach 3,5 Monaten, während der Bestrahlung wieder arbeiten gegangen. Dies hatte verschiedene Gründe. Zum einen wollte ich unbedingt mein 2. Staatsexamen machen und zum anderen hatte ich mittlerweile das Gefühl den IQ eines Kohlkopfes zu haben. Was habe ich mir im Krankenhaus nicht alles überlegt um mich abzulenken und zu beschäftigen...... Was habe ich aber gemacht? Eine Talkshow nach der anderen habe geschaut und mich auf die faule Haut gelegt.
Ich hatte allerdings das Glück, dass die Leiterin meines Studienseminars, in Absprache mit meinem Rektor, mir ermöglicht hat nur meine Pflichtstunden (das waren 8 in der Woche) zu unterrichten. Das war auch gut so. Mehr hätte ich auch nicht geschafft. So aber hatte ich wieder einen geregelten Tagesablauf und war mit anderen Dingen als der Krankheit beschäftigt. Genervt hat mich in dieser Zeit nur das tägliche fahren in die Strahlenklinik. Ganz ehrlich, die Betrahlung empfand ich als schlimmer und psychisch viel belastender als die Chemotherapie.

Ich habe im Anschluss keine Kur gemacht obwohl jeder gemeint hat, ich soll doch eine machen, die würde mir auch ganz bestimmt gut tun. Ich wollte aber nicht. Ich hatte einen Horror davor, dort nur auf ältere Menschen zu treffen, die von nichts anderen sprechen, als von ihrer Krankheit. Da blieb ich lieber in meinem Umfeld, hatte aber auch diverse Behandlungen.

Tja, die Psyche hat und macht mir immer noch teilweise schwer zu schaffen. Ich habe gleich nach dem Krankenhaus eine Gesprächstherapie begonnen. Diese hat mir allerdings im nachhinein nicht allzuviel geholfen. Nach einem Jahr merkte ich das die Angstgefühle und Panikattacken wieder kamen und ich beschloss, es nocheinmal mit einer anderen Therapie zu probieren. Seit einem Jahr mache ich nun eine Verhaltenstherapie und seit dem geht es mir sehr viel besser!!!
Mittlerweile gibt es schon Tage, an denen ich gar nicht mehr an die Krankheit denken muss (nicht mal nur für ein paar Sekunden).
Das sind die schönsten Tage, Tage voller Freiheit. Klingt vielleicht ein bisschen überzogen, ist aber wirklich so.

Eines habe ich in den letzten Jahren gelernt. Jede Erkrankung ist anders und jeder geht auf verschiedene Weise mit seiner Erkrankung um. Was für den einen gut ist, muss zwangsläufig nicht auch für den anderen gut sein. Eines aber ist ganz sicher, der gedankliche oder briefliche oder was auch immer Austausch mit anderen Betroffenen kann ganz viel helfen. Ich habe mich erst nach 3 Jahren getraut andere, besonders gleichaltrige, Frauen zu suchen, die das selbe Problem haben wie ich. Das tat so gut endlich jemanden gefunden zu haben, der ähnliche oder manchmal gleiche Empfindungen hat wie ich.

Die Staistiken und Überlebensraten irritieren und erschrecken mich nach wie vor. Mittlerweile lese ich sie ganz einfach nicht mehr. Sie versetzen mich in eine schlechte Stimmung, machen Angst.... Was soll ich also damit.

Auch mit den Informationen aus dem Internet solte man meiner Meinung nach vorsichtig umgehen. Dazu schrieb mir mein behandelnder Oberarzt, nachdem ich ihn einmal voller Panik angemailt hatte das Folgende:
Wichtig ist und bleibt, dass Sie den Mut und die Hoffnung nicht verlieren. Zugegeben: es ist
unbefriedigend und beunruhigend, wenn man über Informationen verfügt, die verunsichern, an denen man aber nichts ändern kann. Hilflosigkeit ist es.
Dem stehen Mut und Zuversicht gegenüber. Dinge, die niemand Ihnen per Rezept verschreiben kann. Die erhält man nur durch sich selbst und/oder durch den Partner. Sie sind lebensnotwenig; egal, auf welcher Seite der Medizin Sie stehen, ob Sie Arzt sind oder Patient.

Ich wünsche euch allen ganz viel Mut und Kraft und vor allem Menschen, die euch unterstützen und immer für euch da sind.

Chris

P.S. Sorry, dass mein Beitrag so lang geworden ist.
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