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Alt 22.09.2002, 22:48
Gast
 
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Standard Frage an evtl. hier mitlesende Patienten

Hallo zusammen,
Susan, Michaela, Ihr habt gut gesprochen! Wau!
Viel mehr kann man eigentlich gar nicht mehr dazu fügen.

Lillebror? Sag doch mal, machst Du eigentlich eine Statistik oder sowas? Kann mir das zwar nicht vorstellen, aber wenn's so wäre: Ha! Das geht garantiert in die HOOOOOOSEN!
Nein, im Ernst, ich denke mir doch mal, dass Du Krebsbetroffenen (auch mit Deiner Homepage) helfen willst, oder? Aber WAS willst Du denn jetzt helfen? Uns sagen, wie wir zu denken haben? Dass wir uns auf das Leben konzentrieren sollen, und NICHT auf das Sterben und die Trauer und dessen Thema?
Tun wir doch! Uns auf das Leben konzentrieren! Das tut jeder Krebspatient. So intensiv wie noch nie! (Wetten?)
Aber hast Du denn was dagegen, wenn sich Krebsbetroffene mit allem auseinander setzen? Auch mit dem Sterben? Sie sind ja direkt damit konfrontiert. Soll es vielleicht "verleugnet" werden, ein Tabu für Krebskranke? Bloss nichts Schlechtes denken? Bloss nicht verarbeiten das Ganze, und nur noch positiv denken? (Wer sagt auch, dass das Sterben was Negatives sein muss?)

Komm schon, vielleicht übertreibe ich jetzt hier ein bisschen, aber genau so kommen Deine Zeilen zu mir rüber.
Wenn man sich mit dem Sterben und dem Tod auseinander setzt, heisst das noch lange nicht, dass man der letzte "Heuler" ist, oder schlimmstenfalls depressiv. Im Gegenteil, ich finde es so eine sehr gesunde Einstellung, das Leben überhaupt erst zu begreifen. Dazu SOLLTE man eigentlich nicht zuerst Krebs kriegen! Aber da ja das Thema Tod und das Thema Krebs ein Tabu in der Gesellschaft ist, denkt doch eh sonst keiner an so eine schlimme Krankheit oder ans Sterben! Zumindest nicht so schnell. WEIL man sich ja auf das Leben und NUR auf das Leben konzentriert!
WÜRDE es aber so sein, Lillebror, ... wenn die Menschen gelernt hätten, auch wirklich mit Krankheit und Tod zu leben, darüber zu sprechen, es zu akzeptieren, damit umzugehen, ... so würde wahrscheinlich uns Krebspatienten so manche "Verletzung", "Besserwisserei", "Nicht-Wahr-haben-wollen", "Belehrung", "Rückzug vor uns", "Diskriminierung" und "Angst" ... erspart bleiben!
Ja, diese Angst! Die macht alles aus!
Aber ... WO soll man es lernen? In der Schule? Von den Eltern? Schön wär's! - Nein, wir lernen es erst DANN, wenn wir damit direkt oder indirekt konfrontiert werden. Zu spät. Weil wir dann meistens weder ein noch aus wissen. Weil wir dann wahrscheinlich vieles falsch machen und somit jemanden verletzen können.

Krebs, Aids, die Behinderten, Schwerbehinderten, die Alten ... sind doch alles Randgruppen, nicht mehr "funktionstüchtig" für die Gesellschaft, abgeschrieben, ... und warum? Weil sie zu einem Tabu gemacht werden. Weil das Leid ihnen so nahe steht. Und manchmal auch der Tod.
Damit möchte man doch nichts zu tun haben, nicht wahr? Damit möchte man sich nicht beschäftigen. Es betrifft einen ja nicht selbst. Es sind immer die anderen.
Auch DIE, die um einen Menschen TRAUERN! Da ist der Tod so nahe. So verflixt nahe. Was soll man da sagen? Wie soll man trösten? Kann man trösten? Man hat selber Angst. Besser nicht darüber sprechen. Also lieber zurück ziehen. Warten. Bis Gras darüber gewachsen ist. Die Trauernden hören dann ja wieder mal auf mit dem trauern, stimmt's? Also einfach in Ruhe lassen diese Leute. Schnell an die Beerdigung und dann hopps - Tabu!
Naja, solche Angehörige habe ich auch. Schnell mich Krebspatientin im Spital besuchen (reine Höflichkeit, schnelle Pflicht), und dann Tschüss! Bloss nicht darüber reden. Das belastet. Es ist unangenehm. Schwieriges Thema. Es macht Angst. Rückzug! Und zack - Tabu!

So werden Tabus zu Tabus gemacht und bleiben Tabus. Möchtest Du etwas ändern, Lillebror? Dann schrei es hinaus in die Welt. Schrei dieses Unwissen hinaus, damit es zu einem Wissen wird. Dort ist es dringend nötig. - Nicht hier im Forum. Denn hier "weiss" man bereits, oder man will es wissen, oder man ist auf dem besten Weg dazu, ... indem man liest, Fragen stellt oder mitredet.

Ah, entschuldige, ich bin mal wieder krass heute. Sollte kein Angriff sein, sondern nur meine Gedanken darüber, gell?
Das Anklicken des Forums für die Hinterbliebenen (für mich Krebsbetroffe) hat übrigens nichts mit konsequenter Disziplin zu tun. Es kommt aus dem Bauch raus. Anders kann ich es Dir nicht erklären. Einfach wenn die Kraft dazu da ist.

Das mit den Büchern und den Geschichten, die ja irgendwann zu Ende sind, meinte ich eigentlich wortwörtlich so. Anfang der Geschichte, Ende der Geschichte. (Nicht DAS, was DU daraus machst! DAS ist dann nämlich wieder eine andere Geschichte!)
Tja, und DU hast eine (Lebens-)Geschichte, und ich hab' eine. Wir alle haben eine. Irgendwann fängt sie mal an (Geburt), ... irgendwann hört sie wieder auf (Tod). (Was ANDERE, die Hinterbliebenen, dann mit unserer Geschichte machen, ist AUCH wieder eine andere Geschichte!)
Es sei denn z.B., ... wir beide "gehen in die Geschichte ein"! Tja, das wäre dann aber auch wieder eine ganz andere Geschichte, hihi!

Aber ich sehe: Mit Deiner Ansicht vertrittst Du wohl eher die "unendliche Geschichte". Auch gut. Aber - hach ja - das ist schon wieder eine andere Geschichte ...

Ganz liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte
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