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Alt 16.01.2005, 23:40
Gast
 
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Standard Vulvakarzinom--Suche junge Betroffene

Hallo an Euch Alle,

ich wünsche Euch allen für das neue Jahr anregende und anrührende Begegnungen und Erlebnisse.

Hallo Eugen und Konny, Christine und Thom! Hoffentlich geht es Euch gut, bzw. besser. Hallo auch an Daniela - habe lange nichts mehr von Dir gelesen und frage mich, wie es Dir geht. Habe mich so sehr gefreut, zu lesen, dass es Dir, liebe Susi, wieder so gut geht. Ist immer schön, von Dir zu lesen!

Habe übrigens den Text von Dir, liebe Tanja "I hope you dance" in meinen diesjährigen Weihnachtsbrief an unsere Gäste und Freunde aufgenommen - und so wurde er 1300x versendet. Daraufhin erhielt ich ein ganz wunderbares Echo und darüber habe ich mich riesig gefreut. Hatte schon vorher mit diesem Text denkwürdige Erfahrungen gesammelt.

Ich fühle mich ein wenig ausgelaugt und müde. Am Donnerstag wird meine Schilddrüse zum wiederholten Male szintigraphiert wegen 3 Knoten, die auf die Stimmbänder drücken. Bin sehr gespannt, was daraus wird und ob man nun endlich erkennen kann, ob diese Knoten bösartig sind und ob sie operativ entfernt werden müssen. Das neue Jahr fängt nicht gerade toll an. Ich bin auch noch gar nicht sicher, ob ich überhaupt irgendetwas machen lassen werde nachdem so vieles schief lief.

Vielleicht kurz zur Erklärung: Ich bin 47 Jahre alt. Im Juni 2003 wurde ich operiert wegen dreier bösartiger Veränderungen in der rechten Brust. Da meine Mutter an Brustkrebs (bzw. davon ausgehenden Metastasen) gestorben ist wollte ich mich nicht operieren lassen habe aber dann doch zugestimmt (da gab es sehr viele innere Kämpfe!). Die Brust wurde amputiert und per Tram (Gewebe vom Bauch wurde in die Brust geschoben) wieder aufgebaut. Da ich zu diesem Zeitpunkt sehr dünn war (50kg bei einer Grösse von 1,70cm) entstand ein unglaublicher Zug am Bauch und Gewebe starb grossflächig (Breite 20cm, nach oben verjüngend Höhe 13cm) ab, d.h. mein Bauch wurde auf dieser Fläche schwarz und unter den Verkrustungen gärte es. So kam ich zur AHB nach Badenweiler; dort dann grosses Entsetzen und in der Uni-Klinik Freiburg wurden die Verkrustungen dann abgetragen - das Ergebnis war ein grosses Loch in der Bauchdecke und es dauerte Monate bis sich diese geschlossen hatte - und das ohne Hautverpflanzung, womit niemand gerechnet hatte.

Niemals hätte ich derart operiert werden dürfen aber das erfuhr ich alles erst später. Wohin ich auch kam oder wer es auch sah, war entsetzt. Überall hörte ich, dass man so etwas noch nie gesehen hätte und inzwischen ist mein Bauch mein meist-photographiertes Körperteil.

Neben allem Grauen und Schrecken ging es aber meiner Seele gut und ich wurde oft darauf angesprochen, wie ich da noch strahlend durch die Gegend laufen könne. Mein Bauch war "mein verletztes Kind" zu dem ich ein geradezu zärtliches Verhältnis entwickelte und er war für mich der Preis den ich dafür zahlen musste, dass ich mich gut fühlen durfte. Trotz allem machte ich unglaublich schöne Erfahrungen und mein Leben fühlte sich wieder schön und lebenswert an. Das kann man wahrscheinlich nur verstehen, wenn man um meine vorherige Lebens-Situation weiss. Ich sah meinen Krebs instinktiv als eine unglaubliche Chance und genoss was sich mir bot. Nur wenige konnten das verstehen und viele waren fassungslos, die glaubten, mich trösten zu müssen und die nicht nachvollziehen konnten, dass ich "so gut aussah". Mein Brustkrebs war sehr kommunikativ, sprach mit mir und ich hörte sehr genau hin.

Das Vulva-Ca wurde dann im Dezember 2003 entdeckt - mittig der Vulva, in die Scheide hineinwachsend. Ich glaubte, dass mein Brustkrebs mir noch nicht genug erzählt hätte und liess mich wieder operieren. Mein neuer Krebs war aber irgendwie nur dunkel und düster und wirkte auf mich un-kooperativ, wollte nicht mit sich verhandeln oder reden lassen. Es wurde eine Hemi-Vulvektomie vorgenommen mit beidseitiger Entfernung der Lymphknoten. So sehr ich mich auch wehrte gegen die Entnahme der Lymphknoten war ich dann doch der Kämpfe müde und stimmte irgendwann zu. Ich hatte entsetzliche Angst vor einer Behinderung, die zu vermeiden sein könnte. Prompt setzte eine massive Entzündung in der rechten Leiste ein die schwer einzudämmen war und ausserdem sehr schmerzhaft. Durch die ewig feuchten Verbände (bedingt durch massives Austreten von Lymphflüssigkeit) hatte sich die Bauchnarbe wieder etwas geöffnet. Während der anschliessenden AHB (in St. Peter-Ording) behandelte man die Bauchnarbe mit einem speziellen Pflaster welches nicht angeraten war und das ich auch nicht wollte. Als das Pflaster gelöst wurde setzten noch viel schlimmere Schmerzen ein die immer intensiver wurden. Durch den erhöhten Zug zwischen Leisten- und Bauchnarbe starb erneut Gewebe ab. Es war der Horror schlechthin. Die Schmerzmedikation wurde ständig erhöht und auf dem Höhepunkt lag ich bei 100mg Morphin, 2400mg Neurontin und ca. 30 Tropfen Amitriptylin. Das Ganze zog sich über 6 Monate hin währenddessen ich um eine Kostenübernahme für den Aufenthalt in einer Klinik für Lymphologie kämpfte zu dem mir die Uni Freiburg geraten hatte. Alles wurde abgeschlagen und die Kosten musste ich letztendlich selbst tragen aber seitdem geht es mir wesentlich besser.

Irgendwie hatte ich gar keine Zeit oder Ruhe, um mich mit dem Verlust der Hälfte meiner Vulva auseinanderzusetzen. Und ja, ich hatte inzwischen auch wieder Geschlechtsverkehr mit einem Mann in den ich mich während meiner ersten AHB verliebt hatte. Wir können uns nur selten sehen. Er bedrängt mich nicht mit Fragen obwohl mein Körper inzwischen sehr erklärungsbedürftig ausschaut. Ich hatte (nach der Vulva-OP) eine irre Angst vor dem GV und es war auch sehr schmerzhaft aber es war gleichzeitig wie eine Erlösung zu wissen, dass es noch möglich ist - wer könnte das besser verstehen als Ihr!

Natürlich begünstigte meine Schmerzsitutation die Entstehung eines Lymphödems in beiden Beinen, insbesondere der Oberschenkel. Erschwerend kam hinzu, dass ein Arzt meines Vertrauens mir (nach einer Krampfader-OP vor 4 Jahren) Krampfadern verödete obwohl ich ihn auf das Risiko in Bezug auf einen Lymphstau aufmerksam gemacht hatte.

Inzwischen trage ich eine Kompressions-Strumpfhose (dagegen hatte ich mich immer gewehrt), die ich aber wegen des Drucks auf Bauch und Leisten (immer noch schmerzhaft) nicht immer tolerieren kann. Natürlich bekomme ich ständig Lymphdrainagen was aber nicht verhindern konnte, dass vorübergehend auch Ödeme am Oberkörper und insbesondere in der operierten Brust entstehen. Und ganz nebenbei kämpfe ich weiterhin mit Knochenzysten, Chronischer Polyarthritis und Neurodermitis etc.. Das alles ist nicht so schlimm; ich würde nur einfach alles dafür tun (bin seitdem auch in homöopathischer Behandlung) um dieses Lymphödem loszuwerden da ich dieses als eine unglaubliche Bedrohung und Beeinträchtigung meiner Lebensqualität empfinde.

Mein Appell der sich daraus an Euch alle ergibt: Holt (bevor Ihr einer Behandlung zustimmt), zweite oder dritte Meinungen ein und lasst Euch nur von Ärzten behandeln, denen Ihr vertraut. Ich kann sagen, dass ich jedes Mal, wenn etwas schief lief, vorher ein ungutes Gefühl hatte. Heute wünschte ich, dass ich (nach insgesamt 5 Behandlungsfehlern) meinem Bauchgefühl vertraut hätte - es ginge mir heute wesentlich besser.

Insgesamt habe ich aber trotz allem durch meinen Krebs so viel Schönes und Gutes erlebt, dass ich ihn nicht mehr aus meinem Leben wegdenken mag; das wiederum gibt mir ganz viel Kraft, Mut und Zuversicht. Würde man mich fragen, so antwortete ich zweifelsfrei, dass es das alles wert gewesen sei - ohne jeden Zweifel.

Ich weiss gar nicht, warum ich dies heute abend schreibe - musste vielleicht einfach mal raus. Sorry, wenn ich dabei den Rahmen sprenge obwohl ich mich bemühte, mich kurz zu fassen.

Froh bin ich, dass es dieses Forum gibt. So viele für mich sehr wertvolle Hinweise, Ratschläge etc. habe ich durch Euch alle erfahren, insbesondere durch Dich, liebe Tanja. Seitdem ich dieses Forum für mich entdeckt habe, fühle ich mich mit manchen Sorgen und Ängsten, die ein Vulva-Ca zwangsläufig hervorruft, nicht mehr so sehr alleingelassen. Dafür möchte ich Euch allen danken ---

Liebe Grüsse

Gabriele
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