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Alt 05.01.2005, 22:27
Gast
 
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Standard Wie kommt der Tod?

Liebe Manuela,

ich möchte Dir mein herzlichstes Beileid aussprechen. Ich habe im September 03 meinen Stiefvater an dieser Krankheit verloren. Es gibt viele Dinge, die sich gleichen und offensichtlich immer wieder vorkommen: JA! Der Mensch entscheidet selbst, wann er gehen möchte. Ich weiss, dass ich Dir Deinen Schmerz und Deine Selbstvorwürfe nicht nehmen kann. Aber vielleicht kann ich Dir ein wenig helfen: Mein Stiefvater musste Freitags nachmittags ins KH, obwohl er dies mit allen Mitteln verhindern wollte. Meine Mutter rief mich mittags an und sagte "Es geht ihm so schlecht, was soll ich machen. Er will nicht ins KH." Ich habe ihr dann geantwortet, dass sie den Notarzt anrufen soll und er dann entscheidet, ob oder ob nicht. Gesagt getan. Der Arzt entschied: sofort mit Sauerstoffversorgung ins KH. Samstag ging es bergauf/bergab. Immer wieder. Am Sonntag um 7 Uhr rief mich meine Mutter an, wir möchten bitte sofort kommen (wir wohnen ca. 100 km entfernt). Also haben wir die Kinder ins Auto gepackt und sind sofort losgefahren. Als wir dort ankamen, schlief mein Stiefvater unter starkem Morphium. Wir haben mit ihm gesprochen, es dauerte eine Weile, dann richtete er sich auf, murmelte etwas (wie Du schreibst "kaum zu verstehen") Ca. 2 Stunden später kam seine leibliche Tochter im KH an, sie ging ins Zimmer, er zeigte plötzlich eine Reaktion, meinte sie solle sich zum Teufel scheren und nach Hause fahren. Man muss dazu schreiben, dass das Verhältnis der beiden eher schlecht war. Wir sind dann um ca. 15 Uhr nach Hause gefahren. Meine Mutter blieb im KH. Um exakt 18 Uhr kam der Oberarzt, schaute auf meinen Stiefvater und schickte meine Mutter mit Nachdruck nach Hause. Er sagte: "Jetzt und sofort. Sie sind ja völlig kaputt. Essen Sie etwas. Ich rufe Sie heute nacht an, wenn sich etwas verändert." Meine Mutter war um 18.30 Uhr zu Hause. Um 18.32 Uhr schellte das Telefon. Es war der Oberarzt, der meiner Mutter mitteilte, dass mein Stiefvater um 18.07 Uhr verstorben wäre. Ganze 5-7 Minuten nach ihrem Fortgehen. Mein Stiefvater hat mit seinem Fortgehen solange gewartet, bis meine Mutter heim gefahren war. Der Arzt hatte dies erkannt und sie fortgeschickt. Denn er hätte solange nicht gehen können, solange sie dort anwesend war. Er hatte alles erreicht. Er hatte unsere Familie noch einmal gesehen, seiner Tochter die Meinung gesagt und meine Mutter war aus dem Zimmer. All dies war offensichtlich sein Ziel.
Sie hätte genauso gut auf die Toilette gehen können. Er wäre eben dann gegangen.

Nun ist es länger geworden, als erwartet. Aber ich hoffe ich konnte Dir etwas helfen. Auch Deine Mama hatte ihr Ziel erreicht: ein Ziel war, dass sie zu Hause gestorben ist. Das andere Ziel war, dass Du nicht anwesend warst. Es war IHR ZIEL und IHR WUNSCH. Und Ziele und Wünsche muss man akzeptieren. Auch wenn es schwer fällt. DU hast Deiner Mama den letzten Wunsch erfüllt. Auch wenn es nicht DEIN Wunsch war. Ich habe heute noch das Gefühl, ich müsste meinem Stiefvater noch soooo vieles sagen. Dinge, die ich missverstanden habe. Situationen, in denen ich ungeduldig, grätig und ungerecht war. Diese Gedanken werden bleiben, aber sie werden blasser. Nicht heute, nicht morgen. Aber irgendwann.

DU hast Deiner Mama einen Wunsch erfüllt! IHREN letzten Wunsch. Dieser letzte Wunsch war für Deine Mama wichtig und DU hast es ihr möglich gemacht. Wenn Dir Zweifel kommen, denke einfach daran.

In Gedanken bei Dir

Bee
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