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Alt 02.06.2016, 13:03
Lella Lella ist offline
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Standard AW: One day we will be united....

Liebe Alien-Laesperanza

Du bist total normal! Und auch kein Alien... Nein, Dein Text hätte von mir sein können!

Mein Mann ist im Juli gestorben. Auch wenn ich aktuell die Zeit mit allen Erinnerungen schwierig finde und mich auch vor dem ersten Todestag fürchte, so geht es mir nicht schlecht. Und "Nicht schlecht" ist genau die richtige Bezeichung. Manchmal geht es mir sogar gut. Und ich habe deswegen oft ein schlechtes Gewissen, auch wenn ich weiss, dass er nichts weniger gewollt hätte, als dass es mir schlecht geht. Und ich musste ihm versprechen, meinen Weg zu gehen. Daran denke ich immer, wenn ich zweifle. Auch ich weine ab und zu, aber meist nur kurz und dann ist wieder gut. Ich fühle mich oft immer noch wie betäubt und alle Empfindungen sind wie gedämpft, aber ich bin auch fähig Freude und Glück zu geniessen, mich über kleine Dinge und auch in einem gewissen Masse wiedergewonnenen Freiheiten zu freuen. Die Krankheit hat vieles nicht mehr möglich gemacht, was ich heute wieder tue... Auch diese Angst, die Jana anspricht, die ist weg und das ist eine riesige Befreiung. Ich habe weniger Mühe damit, zu wissen, dass zu Hause niemand wartet, als nicht zu wissen, was mich erwartet...

Mir geht es genauso wie Dir, ich habe nicht das Gefühl eine Therapie zu brauchen. Und auch ich habe manchmal Angst davor, dass der grosse Zusammenbruch kommt. Auch ich wünsche mir manchmal, dass ich mal so richtig traurig wäre. Und ich stelle mir Fragen wie, habe ich ihn denn weniger geliebt, als die Frauen ihre Männer lieben, die so richtig feste trauern? Oder bin ich einfach oberflächlich?

Aber weisst Du, Trauer ist genauso individuell wie alles andere auch. Und auch sonst gehen die Menschen mit unterschiedlichen Erlebnissen unterschiedlich um. Es gibt die "Dramaqueens" (und kings), es gibt die stillen Leider, es gibt die hysterischen, es gibt die, die nie was alleine auf die Reihe kriegen und die Macher. Und noch viele Typen mehr. Und ich finde, auch in der Trauer darf man verschieden sein. Oft denke ich mir auch, dass wie ein gewisser "Leistungsdruck" von aussen kommt. Je mehr Du weinst, desto trauriger bist Du. Doch weinen ist nicht der einzige Ausdruck von Trauer, das ist doch kein Gradmesser. Oft denke ich sogar, dass es für die, welche offensichtlich "leiden" in der Gesellslchaft viel einfacher ist. Ich merke oft, wie mich gewisse Menschen verurteilen, wenn ich lachend irgendwo sitzen. Und mich auch nicht ernst nehmen, wenn ich dann mal sage, heute geht es mir schlecht. Es gibt auch viele Dinge, die ich (noch) nicht schaffe, ich kann z.B. nicht an Veranstaltungen mit vielen und auch noch fremden Menschen gehen (eine grosse Party, eine Einladung mit vielen Menschen etc.). Viele denken dann, ach, sonst ist sie ja auch immer lustig... Ich glaube irgendwie (und habe das auch schon mal geschrieben), dass meine Seele den Schmerz und das Leiden dosiert und mir immer nur soviel zumutet wie ich vertragen kann. Ich habe auch ein sehr gutes Gespür dafür entwickelt, wer und was mir gut tut und was nicht und versuche auch danach zu handeln.

Liebe Laesperanza, ich bin froh, dass Du dieses Thema angesprochen hast und ich bin froh zu hören, dass es hier mehrern gleich geht. Das tut gut, denn irgendwie sind wir dennoch alle ganz anders, als wir es vorher waren...

Liebe Grüsse
Lella