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Alt 28.12.2014, 01:27
NiMo_1714 NiMo_1714 ist offline
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Standard AW: Mein Papa hat Lungenkrebs!

Liebe Angela,

auch wenn ich mich schon lange nicht mehr gemeldet habe, habe ich oft an Deinen Papa und Dich gedacht.
Leider hatte ich in der letzten Zeit nicht die Ruhe und Kraft regelmäßig im Forum zu lesen oder zu antworten.
Genau wie Du hat mich das Lesen oft noch mehr deprimiert, auch wenn es mir auf der anderen Seite auch gut getan hat.

Habt Ihr Weihnachten feiern können? Wie geht es Deinem Papa? Und hast Du noch Kraft? Davon wünsche ich Dir ganz viel und noch viele schöne Momente mit Deinem Vater.

Mein Papa ist am 1. Weihnachtstag - nach einem zunächst anstrengenden Tag - friedlich eingeschlafen.

Im November ist er nach dem Krankenhaus in eine geriatrische Kur gekommen. Wenn meine Mama und ich ihn besucht haben, hatten wir ein schlechtes Gefühl, er saß im Zimmer und hat das Bild von einem einsamen und ängstlichen Menschen abgegeben. Zum Glück ist so eine Kur ja auch kein Gefängnis und nach ein paar Tagen haben wir entschieden, ihn nach Hause zu holen.
Ich habe dann ganz schnell Kontakt zum Palliativ-Netz aufgenommen. So musste mein Vater nicht mehr die Anstrengungen auf sich nehmen, wenn er zum Arzt musste. Wir wurden ganz toll von den Ärzten und Pflegekräften betreut. Nie hatte ich das Gefühl, dass man unter Zeitdruck steht, man hatte immer ein offenes Ohr für uns.
Zwischendurch gab es einen kurzen Aufenthalt auf einer Palliativ-Station.
Auch da war die Betreuung gut, aber wir hatten das Gefühl, dass ein längerer Aufenthalt seiner Psyche nicht gut tun würde.
Irgendwann wurde der Vorschlag gemacht, ihn auf die Warteliste für ein Hospiz zu setzen. Seiner Reaktion darauf war anzumerken, dass er sich abgeschoben fühlen würde und dass er sich sehr wohl mit der Thematik Krankheit und Tod auseinander gesetzt hat. Über die Gedanken, die ihn belastet haben, wollte er aber nicht reden.
Den ersten Platz haben wir abgelehnt, danach kam keiner mehr. An dem Spruch "Zu Weihnachten geht der Tod auf Stelzen" scheint was dran zu sein.
Ich bewundere meine Mutter dafür, dass sie zugestimmt hat, dass mein Vater auch Zuhause sterben darf. Sie war richtig stark, obwohl sie mit dem Thema Tod, Sterben, Leichen,.. überhaupt nicht umgehen kann.

Kurz vor Weihnachten hat mein Papa geäußert, dass seine Mutter ihn gerufen habe. Da hatten wir schon das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauert. Tröstlich fand ich die Vorstellung aber schon. Vielleicht ist ja doch etwas/ jemand da, der auf uns wartet?

Heiligabend ging es dann rapide bergab. Wir hatten morgens schon Angst, dass er den Tag nicht übersteht. Ale Medikamente wurden abgesetzt, nur noch Spritzen gegen Schmerzen, Angst und zum Schlafen wurden gespritzt.
Ein beängstigendes Gefühl, seinen Tod immer mit Weihnachten in Verbindung zu bringen, ich muss ja auch an meinen Sohn denken.
Nachmittags ist er aber wieder aufgeblüht.
Die Bescherung haben wir zu viert (Mama, Papa, mein Sohn und ich) am Krankenbett gemacht. Der Weihnachtsbaum stand geschmückt in meiner Wohnung, dass hätte mein Vater aber nicht geschafft. Trotzdem hatten wir alle das Gefühl, es fehlt nichts. Die Atmosphäre war friedlich und mein Papa war teilweise wach mit dabei und hat sich gefreut. Sein Enkel hat ihn immer wieder in den Arm genommen und gedrückt.
Der 1. Weihnachtstag fing mit viel Unruhe in ihm an. Ich hatte ja schon geschrieben, dass er viele andere Erkrankungen hatte. Insgesamt 14 schwere internistische Diagnosen, die über Jahre die Einnahme vieler Medikamente mit sich brachte. Mein Papa hat immer gesagt; "Wenn ich mal sterbe, gehöre ich auf die Sondermüll-Deponie". Jetzt waren diese Medikamente eher schädlich, da die jetzt wichtigen Medikamente nicht richtig helfen konnten. Nachmittags hat er schlimme Beschwerden gehabt. Hat extrem schwer beatmet und war nicht mehr ansprechbar. Er ist dann so sediert worden, dass er keine Schmerzen und keine Angst mehr hatte und schlafen konnte. Man hat uns darauf vorbereitet, dass Papa aus dieser Sedierung nicht mehr aufwacht. Ich klammere mich daran, dass er wirklich keine Angst und Schmerzen mehr hatte. Die Atmung wurde dann schnell langsamer und ruhiger. Es hörte sich wirklich so an, als schlafe er ganz beruhigt. Beim letzten Atemzug waren wir nicht im Zimmer, ganz offensichtlich ist er aber ganz kurz nachdem wir kurz das Zimmer verlassen hatten verstorben. Ich habe ihm vorher gesagt, dass er nicht mehr kämpfen muss, dass er gehen darf und sich keine Sorgen um meine Mutter machen muss. Er hat gut für sie vorgesorgt. Als ich kurz danach nach ihm gesehen habe, atmete er nicht mehr und hatte die Augen geschlossen. Ich nehme an, dass er weiter gekämpft hätte, wäre meine Mutter nicht aus dem Zimmer gegangen.
Wieder bin ich stolz auf sie, auch als er tot war, hat sie sich von ihm verabschiedet, woran vorher nie zu denken war.
Auch wenn man sich vorher schon lange mit dem bevorstehenden Tod beschäftigt, ist die Situation jetzt doch eine ganz andere. Nie wieder gibt es die Möglichkeit, Dinge zu besprechen, sich zu bedanken oder den Menschen nur zu sehen.
Zwischendurch habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich doch nicht beim letzten Atemzug bei ihm war. Was, wenn er doch Angst hatte und es sich gewünscht hätte, wenn ihm jemand bis zum Ende beisteht. Ich weiß aber auch, dass ich diese Gedanken abschalten muss, auch wenn es mir schwer fällt.
Trotz aller Trauer muss ich zusehen, dass zumindest für meinen Sohn eine Normalität ohne Opa einkehrt. Er musste in der letzten Zeit so oft auf mich verzichten, zusätzlich zu der Belastung, die er für sich trägt. Opa war eine wichtige Bezugsperson für ihn.

Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht zu sehr runtergezogen.
Es tut gut sich alles einfach von der Seele zu schreiben.

Ich hoffe, dass Ihr mit guten Nachrichten und Ergebnissen ins neue Jahr starten könnt.
Ich schaue immer mal wieder in Deinen Thread und hoffe, dass Du noch lange von Deinem Papa schreibst.


Liebe Grüße und ebenfalls viel Kraft auch an alle anderen, die in diesem Thread lesen.

Nicole
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