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Alt 14.11.2014, 14:13
Lella Lella ist offline
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Standard AW: Wie kann ich helfen?

Liebe Tine

Danke auch für Deine Worte. Es freut mich, dass ich Dir ein wenig eine andere Sicht zeigen konnte. Weisst Du, als ich mich hier vor ein paar Wochen voller Angst und Zweifel angemeldet habe (nachdem ich lange mitgelesen habe), habe ich so viel Zuspruch erhalten, so viele weise Worte von Menschen, die ähnliches wie ich durchgemacht haben, viele sogar noch viel schlimmeres. Und ich bin plötzlich so viel ruhiger, bin mir auch erst hier gewisser Dinge bewusst geworden. Auch ich habe bereits um meinen Partner getrauert, obwohl es ihm sehr gut geht. Ich habe mir überlegt, wie es ohne ihn sein würde, wo ich dann wohnen werde, wie ich alles finanzieren kann, wie ich die Zeit organisiere, wenn es ihm schlechter geht, welche Betreuungs- und Pflegeangebote es gibt, wie die Beerdigung sein wird und, und, und… Bis ich mir irgendwann sagen musste: Stopp, halt, es ist noch lange nicht so weit, dieser Mann geht jeden Tag arbeiten, fährt Motorrad und treibt Sport! Und ich habe, solange dies so bleibt, nur 2 Möglichkeiten: Entweder ich vermiese mir bzw. uns die Zeit heute schon oder ich geniesse sie solange wir sie haben… Und es bringt auch nichts, mir alles vorzustellen, es wird dann wohl doch ganz anders sein. Und ich habe es so auch geschafft, etwas weniger Angst zu haben… Aber wie gesagt, meine Situation ist eine andere. Und ich schaffe es auch nicht immer, die Theorie ist oft so viel einfacher als die Praxis. Aber wenn ich merke, dass ich ins Grübeln verfalle, dann ermahne ich mich selbst und zwinge mich dazu, diese Gedanken beiseite zu schieben.

Es wird nie einfach sein, die Eltern zu verlieren, genauso wie es nie einfach sein wird einen anderen geliebten Menschen zu verlieren. Ich glaube, dass ein Verlust eines sehr alten Menschen manchmal etwas versöhnlicher stimmen kann, weil es ganz einfach der Lauf der Dinge, der Natur ist. Weil es dann meist auch nicht überraschend ist und auch nicht unfair, sondern einfach „normal“. Niemand wird 200 Jahre alt. Aber es ist und bleibt ein Verlust, der einfach in erster Linie mal schmerzt. Es ist nur einfacher, diesen anzunehmen. Und so oft kommt es ganz anders als man denkt. Bei uns in der Familie ist dies gerade geschehen. Meine Oma, bald 90, seit Jahren gesundheitlich ein Auf und Ab. Oft haben wir schon gedacht, sie wird das nächste Jahr nicht mehr erleben, eigentlich müssen wir jeden Tag mit der Nachricht rechnen, dass sie von uns gegangen ist. Und was ist passiert? Gestorben ist nun ihr Sohn, keine 60, aus heiterem Himmel. Sie lebt immer noch, erholt sich immer wieder erstaunlich gut von Stürzen, Krankheiten und Beschwerden. So spielt das Leben, oft müssen nicht diejenigen als erste gehen, bei denen man damit rechnet. Und bei diesen Menschen hat man sich ja auch nicht im Vorfeld Gedanken über die Beerdigung etc. gemacht, obwohl einem das Leben nun gerade vor Augen führt, wie schnell und unerwartet es doch gehen kann. Wer weiss, was noch kommt…

Ja, das mit der Unzufriedenheit, das hört man oft. Und genau das meine ich auch damit, dass oft die Menschen, bei denen von aussen betrachtet nie was Schlimmes geschieht, nicht zwingend die glücklichsten sind. Manchmal sehen genau diese Menschen vor lauter Alltagssorgen gar nicht, wie glücklich sie sein könnten, ganz einfach weil sie gesund sind. Weil sie leben dürfen – nicht müssen.

Tine, ich glaube, dass es für Deine Mama das schlimmste wäre, wenn sie sehen würde, dass Du Dein Leben hinschmeisst, dass Du nicht zurecht kommen würdest. Wenn Deine Mama eines Tages gehen muss (wann auch immer dies sein mag), dann wird sie das sicherlich viel leichter können, wenn sie weiss, dass Du zurecht kommen wirst. Sie kann auch jetzt ihre ganze Energie in den Kampf gegen die Krankheit stecken, sie kann auf sich selber achten, wenn sie weiss, dass Du zurecht kommst. Und Du kannst ihr so ganz viel Kraft geben. Und ganz ehrlich, wenn Du Deinen Job aufgeben würdest, wenn Du Dein Leben hinschmeissen würdest, Dir ununterbrochen sorgen machen würdest, selber krank werden würdest, würde es Deine Mama gesund machen? Nein, sie wäre genau gleich krank. Klar, Du könntest mehr für sie da sein, ihr könntet Zeit zusammen verbringen, aber vielleicht gibt es diese Möglichkeit auch, ohne dass Du gleich alles aufgibst? Oft denkt man gar nicht an andere Lösungen, mit etwas Organisation oder Kreativität lässt sich so vieles bewerkstelligen. Manche Dinge brauchen aber auch Zeit, überstürzte Handlungen führen meist auch nicht zu den besten Lösungen. Und egal wie viel Zeit Deiner Mama noch bleibt, ermögliche ihr, diese so sorgenfrei wie möglich zu erleben, indem sie sich nicht um Dich sorgen muss. Ich denke, das ist das grösste Geschenk, zumal die Situation mit Deiner Schwester schon nicht einfach ist.

Und liebe Tine, wenn immer Dir alles über dem Kopf zusammenfällt, wenn alles zuviel wird, dann komm doch hierher und schreibe etwas… Es hilft oft so sehr, wieder etwas Licht ins Dunkle zu bekommen, wenn man sich mit Menschen austauschen kann, die ähnliches erlebt haben oder erleben. Das schreiben alleine hilft oft schon, die Gedanken zu ordnen. Und zu lesen, wie andere mit der Situation umgehen, regt immer wieder zum nachdenken an und eröffnet oft ganz neue Horizonte.

Und Dein letzter Satz, dass Du Dich freust, dass es meinem Partner gut geht, der zeigt, dass Du alles andere als ein verbitterter Mensch bist! Und das soll auch so bleiben.

Liebe Grüsse
Lella
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