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Alt 06.07.2002, 09:52
Gast
 
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Standard Forum für Angehörige UND Betroffene

Hallo Elisabeth,

meine Ma denkt genauso: keine WischiWaschi Antworten, sagen was ist, damit sie dagegen kämpfen kann. Sie bekommt von den Ärzten die Wahrheit gesagt (auch wenn die sich zuerst dagegen gesträubt haben), wenn sie danach fragt (und das tut sie). Die Statistiken kennt sie selbst (es gibt genügend Bücher und das Internet), da sie in der ersten Phase, als sie die ersten Vermutungen mitgeteilt bekam, auch gleich Informationen zusamengesucht hat. In der Klinik hat sie die Peilwerte bekommen, wie wenig Monate sie im schlimmsten Fall noch hat. Auch wir reden offen über diese Krankheit und was passiert und passieren kann. Ihr Ziele sind ganz eng gesteckt: mal sehen, was die Chemo bringt. Was danach kommt, klammert sie erst mal aus. Allerdings strahlt sie eine Zufriedenheit und Energie aus, die gar nicht vermuten lassen, das sie so krank ist. Man sieht ihr gar nichts an...

Liebe Brigitte,
ABSCHIED nehme ich dann, wenn meine Ma im Sterben liegt, nicht früher.
Ich habe miterleben müssen, wie andere sie schon abgeschrieben haben und jeder Besuch so eine Abschiedsvorstellung war - damit wird man ihr und DIR nicht gerecht. Du hast Recht: als Angehörige trifft mich nicht die Aufgabe, mich mit meinem (bewußt gemachten) bevorstehendem Tot auseinander zusetzen und abzufinden. Aber ich habe genug geliebte Menschen verloren (und das in einem Alter, als ich gerade mal sowas verstehen konnte, aber nicht damit umgehen konnte), das ich diesen Abgrund der Verzweiflung, Wut , Trauer und Hilflosigkeit sehr gut kenne. Das ist nichts, was sich mit Deinem/Ihrem Erleben dieser Situation messen kann. Aber seit ich zehn war, habe ich mich vor diesem Abschied gefürchtet. Aber ich werde meine Ma nicht zur lebenden Toten machen.
Sie lebt - und solange SIE Hoffnung hat und kämpft habe ich nicht das Recht, von ihr Abschied zu nehmen und ihr und mir die Zeit, die wir miteinander verbringen, damit zu vergiften, das ich sie mit dem Schatten des Abschieds verdunkle. Neben ihr den Sonnenuntergang beobachten, unter dem Motto: das wird nicht mehr oft vorkommen. Das wäre die Pervertierung des Spruchs: Lebe jeden Tag, als wäre es Dein Letzter.
Vielleicht ist die Reaktion etwas heftig - sorry, vielleicht habe ich Dich mißverstanden. Aber ich habe noch eine Aufgabe mehr: an meine Mutter zu glauben und sie auf ihrem Weg zu begleiten.
Und ganz ehrlich: ich wünschte, ich könnte ihren Platz einnehmen, damit sie nicht sterben muß. DAS könnte ich eher ertragen.


Jana
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