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Alt 06.07.2002, 09:29
Gast
 
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Standard Forum für Angehörige UND Betroffene

Hallo ihr Lieben!
Also ich glaube, ich kann euch zu diesem Thema einiges erzählen...Im März 2000 hatte ich doch meine 1. grosse OP. Naja, sie konnten lediglich ein paar Lymphknoten in der Leiste entfernen und machten alles wieder zu.Inoperabel.Vor der OP fragte ich ja auch, sah ales sehr positiv aus, die Ärzte machten mir echt Hoffnung.Aber irgendetwas stimmte nicht.Das sagte mir mein Gefühl aber ich verdrängte das.Als ich nach der OP zu mir kam und kein Stoma vorfand, war ich als erstes erst einmal erleichtert.Denn so im Innern dachte ich damals, ich könne nicht damit leben. Die Ärzte erzählten mir daß ich eine Entzündung im Bauchraum haben und die erst heilen müsste.Es kam viel Besuch, mein Schatz kam jeden Tag, auch das Personal las mir jeden Wunsch von den Augen ab.Ich erholte mich gut, aber irgendwas stimmte nicht!Irgendwas irritierte mich.Dann bemerkte ich, es waren die Augen, die Blicke...und eigentlich genau da begann mein aufbäumen, mein Kampf. Noch wusste ich nicht, was denn eigentlich mit mir war.Ich fing an zu fragen, zu löchern, zu bohren.Holte mir stückchenweise meine Informationen. Ich sprach mit meinem Schatz und da brach es aus ihm heraus, er weinte!Da begriff ich was nicht stimmte! Ich ging zu meinem Arzt in der Klinik und verlangte, daß er mir alles aber auch alles sagen sollte! Er druckste herum, sagte ich sei doch noch viel zu jung für so einen Befund, sie würden alle überlegen und nach etwas suchen, was mir helfen könnte.Dann informierte er mich über alles, fragte mich danach ob ich ein Beruhigungsmittel haben wolle. Ich nahm es erst mal an, aber nach 4 Tagen setzte ich es ab. Es half mir nicht, im Gegenteil.Ich brach wegen Lappalien in Tränen aus, zum Beispiel weil ich die Kaffeetase umschüttete. Das begriff ich nicht.Also nahm ich keine Beruhigungsmittel mehr, tigerte aber in der Klinik rum, dachte bei mir: Nein, das kanns nicht ewesen sein! ich will leben!Ich kann doch jetzt nicht mitten drin einfach sterben!Nach 4 Wochen durfte ich für 14 Tage nach Hause. Wenn ich allein war , brüllte ich die Wände an. Fing mich aber nach einer Zeit ab und wurde soetwas wie trotzig.Ja ich fing sogar an mit dem Tumor zu reden. Ich weiss das klingt eigenartig, aber es war so! Die Chemo begann. Sie dauerte ein halbes Jahr. Ich wusste, es kann zu Nebenwirkungen kommen, schiefgehn, daß der Tumor nicht reagierte. Mittlerweile wurde mir immer die Wahrheit gesagt. Wenn sich jemand rausreden wollte, blickte ich ihm in die Augen, danach kam dann die Wahrheit und keine Ausreden.Ich hatte große Angst in dieser Zeit meine Uhr könne doch abgelaufen sein. Redete mit dem Tumor, macht ihm klar, daß er auch sterben müsse, wenn er so weiter wuchs, redete oft mit mir selbst, heulte wenn ich allein war, war verzweifelt.Aber irgendwie fing ich mich immer wieder.In der Klinik war ich für meinen "Galgenhumor" bekannt. Dann war die Chemo zu Ende und mein Professor bat mich zu einem Gespräch. Er teilte mit mit, daß so schnell wie möglich operiert werden musste, gab mir auch sehr wenig Zeit, nur 5 Tage. Heute weiss ich warum: Ich wäre, wenn es sich, wie ich es wollte, um 14 Tage freie Zeit gehandelt hätte, verrückt geworden! Und jetzt kam ein anderes Gefühl auf mich zu: Ich hatte panische Angst nie mehr aufzuwachen.Ich spürte auch bei meinem Schatz diese Angst, eigentlich bei Allen die mir nahe standen. Aber bei mir war sie sehr groß...inerlich, ohne daß es jemand merkte, verabschiedete ich mich von allem. Ich was sowas von traurig, aber nicht wütend, wie vorher.Ich flehte irgendetwas an, mir doch zu helfen, daß ich dies überstand, aber das Gefühl, das ich alles zum letzten Mal sehe, blieb. Es blieb bis die Narkosespritze wirkte. Dann war alles Dunkel....und irgendwann hörte ich die Stimme von meinem Schatz. Ich hörte sie nochmals, dann wieder...mein erster Gedanke war: Ich bin wieder da! ich lebe! ich lächelte, oder ich dacht eich tu es und öffnete die Augen. Ich war wieder da! In diesem Augenblick wusste ich, daß ich überleben würde. Wielange weiss ich nicht, das steht in den Sternen. Aber ich geniesse jeden Moment. Und das Verabschieden war auch in Ordnung vorher, denn ich lebe jetzt ein ganz anderes Leben, ehrlicher, intensiver, dankbarer, offener,gefühlvoller! Und auch mit meiner Beziehung passierte etwas: Sie lebte auf! Wir waren sogar intensiver miteinander verbunden, wie jemals zuvor! Bei meiner Mutter musste ich lächeln, ich war wieder ihr Baby, ihre Erstgeborene, ihr Wuschkind...sie fing an viel von früher zu erzählen, vorher tat sie das nie. Auch die Beziehung zwischen mir und meinem kleinen Bruder, er ist 17 Jahre jünger wurde enger.Ich "verlor" in der Zwischenzeit viele Freunde, musste sieben, war aber gut so! Ich gewann neue, ehrlichere!Und ich schwor mir etwas: Jedem Betroffenen, jedem Angehörigen beizustehen, seelisch, wann immer ich das konnte!Denn ich sah inzwischen auch, wie sehr meine Angehörgien gelitten hatten unter dieser Situation. Manchmal denke ich, es ist schlimmer hilflos daneben zu stehen, nicht helfen zu können, als selbst betroffen zu sein.
Nein, nein, ich sehe nicht alles rosarot...auch ich habe Angst es könnte wieder irgendetwas sein, Angst bei jeder Nachsorge, Angst vor jedem Zipperlein, es ist etwas dazugekommen in meinem Leben, was ich vorher verdrängt habe, ich bin nicht unsterblich! Keiner von uns! Und meine Angehörigen haben das auch erleben müssen, leben jetzt auch mit dieser Gewissheit, daß irgendwann die Zeit abgelaufen ist. Man erlebt vieles bewusster als vorher. Als Betroffener und als Angehöriger.
Und wenn ein Arzt mir ncht alles sagt, mir nicht alle Informationen gibt, spüre ich das und wechsle ihn aus. Es geht schliesslich um mich, um mein Leben! Da möchte ich alles wissen und nicht mit ein paar Brocken abgespeist werden!
Das Leben ist ein ewiger Lernprozess....
So, nun weiss ich im Moment nicht weiter...
Alles Liebe für euch alle
viele liebe Grüße von Ruby
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