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Alt 10.12.2012, 01:44
Sinneswandel Sinneswandel ist offline
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Standard AW: Mein Vater, Malignes Melanom

Hallo Alwina,

ja, das stimmt, bei Krebs stirbt man jeden Tag ein bisschen mehr.

Die ersten 14 Monate waren bei meinem Vater relativ gut, aber die letzten 4 Monate waren die Hölle weil man als Angehöriger ständig in Alarmbereitschaft ist. Bei uns war das eben so, dass von einer Minute zur nächsten ein Ausfall kam, dann war wieder 2 Tage Ruhe, dann wieder ein Ausfall, dann wieder gut, dann umgekippt, und so weiter. Und so blöd das klingt, aber wir konnten ihn doch nicht im Bett anbinden und wollten das auch nicht. Also.. beobachten 24 Stunden am Tag.

Dass Ihr Unterstützung von und Kontakt zu einer Palliativstation oder einem ambulanten Dienst habt finde ich grossartig. Das gab es bei uns nicht, leider. Wir hatten nur die Möglichkeit Klinik oder zuhause. Hier machen Ärzte nicht mal Hausbesuche.

Im Moment wird es schwerer, das empfindest Du richtig. Und auch wenn es Dein Vater „geschafft“ hat, ist da erstmal ein Riesenloch. Aber dann wird es nach und nach besser. Das geht nicht linear, das entwickelt sich vorwärts, dann wieder zurück, irgendwie kreuz und quer, aber irgendwie merkst Du doch, dass es in die richtige Richtung geht. Der Begriff „Trauerarbeit“ ist korrekt, es ist wirklich Arbeit.

Du wirst ihn sogar ganz wahnsinnig vermissen, aber auch das verändert sich. Es lässt sich schwer beschreiben, das muss man er-LEBEN.

Ich gehe davon aus, dass Dein Vater weiss, wie es um ihn steht. Er will nur nicht darüber reden, vermutlich, um Euch nicht noch mehr weh zu tun. Er macht sich Sorgen um Euch, was dann mit Euch ist, wenn er nicht mehr da ist. Das könnt Ihr eventuell etwas mildern, wenn er jetzt mitbekommt, dass Ihr als Familie zusammenhaltet, eine gewisse Ruhe ausstrahlt (klingt total doof, ich weiss) etc. (und auch das mit der Hypothek etc.nicht anmerken lassen)Ihr könnt vielleicht auch beiläufig anklingen lassen, dass er sich keine Sorgen machen muss. Ich habe mal gelernt, dass 80% unserer Kommunikation nonverbal stattfindet. Das heisst, alles was Du ihm sagen möchtest....zeig es ihm einfach. Und ausserdem...er weiss es, dass Du ihn liebst, ganz sicher. Was auch eine Möglichkeit ist....achte einfach mal darauf, ob er etwas sagt wie...“ich hätte mal wieder gern...“ und wenn da was kommt, was ganz lange her ist, wie z.B. etwas, was Ihr an Weihnachten gemacht habt, als Ihr noch Kinder ward, etc....kannst Du davon ausgehen, dass er weiss, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt.

Natürlich hat Dein Vater Angst vor dem Sterben, ich habe mit vielen Menschen zu tun und viele davon sind krank und ALLE haben Angst vor dem Sterben. Mein Vater hatte auch Angst, wir haben darüber geredet. Ich bin froh, dass wir das konnten. Wir haben zusammen geheult und dann darüber gelacht. Irgendwie schon komisch.

Als mich meine Mutter an diesem Samstag morgens anrief, bin ich im Schlafanzug ans Haus meiner Eltern gerast und war auch so im Krankenhaus. Mantel drüber, fertig, los.

Seltsamerweise war ich, als ich im Haus meiner Eltern ankam, ihn sah, den Notarzt rief etc. wieder total ruhig und auch dann im Krankenhaus. Aber als mich meine Mutter anrief..Panik, so schnell wie möglich da hin, egal wie. Hätte ich Lockenwickler in den Haaren gehabt, wäre ich auch so los. Wenn ich heute daran zurückdenke....Schmunzeln! Mein Lebensgefährte hat mir dann was zum Anziehen gebracht, ich glaub der Arzt war etwas durcheinander als er mich in meinem Snoopy- Schlafanzug sah. Aber korrekter Mensch...hat sich nie dazu geäussert!

Dein Vater ist noch recht jung, nein es ist nicht fair, nicht korrekt, noch viel zu früh, noch nicht der richtige Zeitpunkt. Aber irgendwie ist wohl auch nie der richtige Zeitpunkt.

Wenn Du ganz, ganz viel Angst hast vor dem Sterbeprozess generell, also was da passiert etc. kannst Du Dich auch mal mit jemandem von der Palliativstation unterhalten. Die erklären Dir das und vielleicht hilft Dir das. Aber eigentlich ist das bei jedem doch sehr individuell. Ich war dabei, war auch das erste Mal, aber ich muss sagen, ich habe es nicht bereut, ganz im Gegenteil. Es war eine Erfahrung die mir später bei der Verarbeitung sehr geholfen hat. Und vorallem weil ich mitbekam, dass er keine Schmerzen hatte als er ging. Auch wenn mich hier jetzt einige erwürgen wollen...für mich war es eine wunderschöne Erfahrung.

Dass wir uns hier in diesem Forum getroffen haben war wirklich ein grosser Zufall. Ich bin nämlich auch erst seit ein paar Tagen hier und eigentlich eher wegen Informationen generell zum Thema Arzt-Patientenverhältnis (was ja nicht immer so ist wie man das gerne hätte)

Wenn Du wieder zu Deinem Vater kannst...drück ihn unbekannterweise ganz herzlich von mir.
Ich werde mal versuchen, ob ich meinen Vater erreiche und ihm Bescheid geben, dass vielleicht bald jemand kommt mit dem er sich über Werkzeuge, Maschinen, Fliesen und die genaue Planung eines Dachausbaus unterhalten kann. Und wer weiss...velleicht gibt es da ja auch Tapasbars und sie können gemeinsam ein Glas Rotwein geniessen.(Weil Manna...Manna geht gar nicht!)

Ganz liebe Grüsse
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