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Alt 07.12.2012, 20:03
Sinneswandel Sinneswandel ist offline
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Standard AW: Mein Vater, Malignes Melanom

Hallo Alwina,

Dass Dein Papa viel schläft kommt sehr wahrscheinlich von den Medikamenten. Bei uns war das anders. Mein Vater war schmerzfrei (zumindest hat er das gesagt) und bekam keine Medikamente. Er wollte bis zum Schluss arbeiten, Handwerker, ein „Macher“. Habe ich Schuldgefühle, weil ich ihn liess? Nein, in keinster Weise, es hat ihm gut getan. So fühlte er sich nützlich und man merkte, dass es ihm Energie gab wenn er sah, dass noch was geht.
Heute denke ich oft mit einem Schmunzeln zurück, da vieles was er tat nicht mehr „brauchbar“ war. Ich hab das dann korrigiert wenn er es nicht sah. Rückblickend, auch wenn es den einen oder anderen verwundert.....wir haben wahnsinnig viel gelacht in der Zeit, ich glaube, das war es, was es meinem Vater leichter machte.
Beispiel: Er konnte nicht mehr Auto fahren, also fuhr meine Mutter zu unserem Treffen. Ich fragte ihn, als sie ankamen: „Na, alles klar?“ Seine Antwort: „Ganz ehrlich, bevor ich nochmal zu Deiner Mutter ins Auto steige, fahre ich lieber selbst. Ich hatte noch nie soviel Angst um mein Leben.“ Ich sollte vieleicht erwähnen, dass er da bereits wusste, dass wir vielleicht noch 3 Monate haben.

Auch ihr solltet Euch keine Gedanken machen, ob er ein Rezidiv hat weil er gearbeitet und zu früh wieder angefangen hat. Was wäre die Alternative gewesen? Zuhause sitzen und auf das Rezidiv warten? Glaub mir, dann wäre es noch früher gekommen.

Er hat, wie mein Vater, das getan, was er wollte und was er immer getan hat. Grösstmögliche Normalität war die Devise. Und jetzt mit Abstand betrachtet bin ich mir noch sicherer als ich es damals war...es war richtig und gut so wie es war.

Wenn es Dich beruhigt: Meine Mutter hatte die selben Gedanken damals und deshalb habe ich mich vor ca. 5 Jahren mit einem befreundeten Arzt unterhalten. Der hat gelacht und gesagt:“ Nein Mädel, von körperlicher Arbeit hat noch keiner Krebs bekommen.“

Dass Deine Mama und Du am Limit seid ist ganz normal. Und falls Ihr manchmal denkt „hoffentlich ist das bald vorbei, egal wie“ ist auch das ganz NORMAL und Ihr solltet keine Schuldgefühle deshalb haben oder Euch für diese Gedanken schämen. Die hat JEDER gelegentlich in dieser Situation, nur dass es die wenigsten zugeben würden.

Bei dem, was Du über Deine Mama schreibst, wäre es vielleicht ratsam, einen Arzt aufzusuchen. Der kann ihr etwas zur Beruhigung und Stabilisierung verschreiben. Oder pflanzliche Mittel nehmen. Es ist normal, dass der Kreislauf verrückt spielt. Also keine Panik. Meine Mutter hatte damals furchtbare Angst, dem ganzen nicht gewachsen zu sein, etwas falsch zu machen und vorallem...vor dem was nachher kommt.
Wie ich schon erwähnte ist es wichtig, dass sie „Auszeiten“ hat in denen sie sich auf sich konzentrieren und (soweit möglich) ausspannen kann. Bei uns war es einfacher: In der Zeit, in der ich mit ihm in der Firma war, hatte sie Zeit für sich. Danach war er bei ihr und ich hatte Zeit für mich. Vielleicht wäre das bei Euch irgendwie machbar? Dass Du bei ihm bist (wenn möglich irgendwo anders und nicht bei Deinen Eltern zuhause)? Was macht er gerne (ausser arbeiten)? Spaziergang? Heimwerkermarktbummel? Etwas bei Dir im Haus reparieren? Wenn es ihm gut geht natürlich. Für ihn wäre es „Beschäftigungstherapie“ und für Deine Mama „Auszeit“.
Ich habe damals,( als er bemerkt hatte, dass er die Arbeiten in der Firma nicht mehr erledigen kann) manchmal gesagt wenn ich wusste, dass meine Mutter etwas zuhause zu erledigen hatte wo mein Vater „störte“ (seien wir ehrlich...aufräumen geht nicht mit Mann im Haus, Krebs hin, Krebs her!), ich würde als seine Tochter seine Beratung brauchen, da ich ein neues Auto brauche, einen Termin mit einem neuen Geschäftspartner habe oder weil ich mir die Bauweise eines Fertighauses ansehen möchte und ihn gern dabei hätte. Ja, ich habe gelogen...und gesehen, wie gut es ihm tat, trotz seiner Krankheit noch „gebraucht“ zu werden.

Dass Du denkst „das ist nicht wirklich, nicht real“ kann ich nachvollziehen.
Ich habe damals zu meinen Freunden gesagt: „So, ich besauf mich heute und dann haut mir jeder von euch eine rein damit ich aufwache und dann ist alles wieder gut“.
Kommt Dir das bekannt vor? Aber ich kann Dir sagen: Ausser einem Riesenkater und ein paar blauen Flecken hat die Aktion rein gar nichts gebracht! Also...nicht zur Nachahmung empfohlen.
Der Arzt meines Vaters hat damals gesagt: „Auf der Zielgeraden wird der Gegenwind rauher.“
Aber er hat mir auch gesagt: „Ihr seid den Marathon gelaufen, Ihr schafft das.“

Ihr schafft das auch, ganz sicher. Und wegen dem Haus Deiner Eltern....ich verstehe es, würde aber trotzdem nichts überstürzen. Es ist jetzt nicht der richtige Moment dafür. Haltet die Sache von Deinem Papa fern und lass auch Deiner Mama Zeit für die Entscheidung, denn im Moment kann sie das nicht (und da spreche ich aus Erfahrung)

Im Moment wünsche ich Dir und Deiner Familie ein ruhiges Wochenende

Herzliche Grüsse
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