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Alt 23.11.2012, 11:25
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
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Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Liebe Nadi,

um zu Deinem ursprünglichen Thema zurückzukommen, so kenne ich zwei Personen, die jeweils einen Blogg zum Verlauf ihrer Krankheit schreiben und dort also tagebuchähnlich jeden Tag beschreiben, welche Arztgespräche, Untersuchungen und Behandlungen ihnen bevorstehen oder was sie gerade hinter sich haben. Dazu beschreiben sie ihre Gefühle, Ängste und auch ihren Optimismus. Beide haben metastasierten Darmkrebs, also Stadium IV, und dennoch schreiben sie immer aus einer Erwartungshaltung heraus, dass sie bald gesund sind und die Krankheit hinter sich lassen können, nach dem Motto "jetzt ist es aber an der Zeit, dass die Metastasen verschwinden und wir wieder gesund werden". Ein Patient hat sich über Tage hinweg zutiefst darüber aufgeregt, dass ein Professor ihm gesagt hat, er lebe in dem Irrtum, dass seine Krankheit heilbar sei und das wäre nicht der Fall. So etwas dürfe ein Professor doch niemals sagen.

Wenn einem klar ist, wie es um die beiden Patienten bestellt ist und dass ein realistisches Ziel nur sein kann, noch so lange wie möglich gut zu leben, kann dieser enorme Optimismus als Ignoranz der Tatsachen manchmal nerven. Dennoch schreibt die eine Patientin an einer Stelle, dass sie optimistisch bleiben muss, dass sie immer irgendwelche Ziele braucht und dass sie auch immer das Ziel braucht, gesund zu werden. Sie meint, dass sie sich sonst völlig aufgeben würde und die Krankheit nicht mehr zum Aushalten sei...

Das zeigt für mich ganz deutlich, dass man als Betroffener ganz anders denkt, als als Angehöriger. Es geht nicht darum die Realität und die Wahrheit zu akzeptieren oder nicht, sondern es geht darum mit ihr zu überleben. Während für den Angehörigen oft die Akzeptanz der Krankheit der Ausgangspunkt für alle Behandlungen ist, würde diese Akzeptanz vielen Betroffenen den Boden unter den Füssen wegziehen und ihnen alle Kraft für eben diese Behandlungen nehmen.

Für viele Betroffene kann es also eine - vielleicht unterbewusste - Strategie sein, die Krankheit nicht so sehr an sich herankommen zu lassen und auf Abstand zu halten, eben um die notwendige Kraft für alle Behandlungen zu behalten und den Kampfgeist zu bewahren. Genau diese Kraft, hätte der oben genannte Professor dem einen Patienten beinahe genommen.

Deswegen sollte man jedem Betroffenen seinen eigenen Umgang mit der Krankheit lassen und nicht für eine Akzeptanz nach aussen hin kämpfen. Innerlich wissen die meisten, wenn nicht alle, sicherlich, wie es um sie bestellt ist. Schliesslich muss vor allem der Betroffene selbst die Kraft behalten, sowohl geistig als auch körperlich. Als Angehöriger braucht man ja nicht die "Verleugnung der Krankheit", wie Du sie nennst, mitzumachen, sondern man kann sich auf gemeinsame Interessen stützen, wie z.B. optimale Voraussetzungen für die Behandlung zu schaffen, neue Methoden suchen, gemeinsam auf die Wirkung hoffen, sich darüber freuen, wenn es dem Betroffenen gut geht, etc.

Liebe Grüsse
vom Alpenveilchen
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