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Alt 02.11.2012, 00:15
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
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Standard AW: Warten auf ein Ergebniss

Liebe Nina,

es ist verständlich, dass Du möchtest, dass Dein Vater sich dem Leben zuwendet und zumindest versucht zu kämpfen, anstatt sich gedanklich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Die allermeisten Angehörigen denken genau wie Du.

Die meisten gesunden Menschen - oder zumindest die, die glauben, gesund zu sein - ignorieren den Tod und die Tatsache, dass das eigene Leben endlich ist. Man lebt als würde alles immer und ewig so weitergehen. Wenn man dagegen die Diagnose Krebs bekommt, ändert sich das schlagartig, im wahrsten Sinne des Wortes. Man sieht plötzlich das Ende und nicht nur das. Es scheint sogar in greifbarer Nähe zu sein. Plötzlich sieht man das, was man immer so fleissig verdrängt hat. Man kann nicht mehr wegschauen, sondern bewegt sich darauf zu. Da ist es völlig normal, dass man sich mit dem Tod, der eigenen Beerdigung, dem Nachlass usw. auseinandersetzt. Das Verhalten Deines Vaters würde ich daher nicht als ein "sich aufgeben" deuten. Lass Deinem Vater diese Auseinandersetzung mit dem Tod und der Endlichkeit seines eigenen Lebens. Wenn er sich da gedanklich durchgearbeitet hat, kann er den Blick auch wieder vom Tod abwenden und statt dessen darum kämpfen, so lange wie möglich zu leben. Dann braucht er nicht mehr mit sich zu kämpfen, um den Tod weiter zu verdrängen, sondern er hat sich damit auseinandergesetzt und kann sich auf anderes konzentrieren. Dieser Ablauf ist ganz normal.

Eine inzwischen geheilte Brustkrebspatientin sagte mir einmal, sie habe auch lange Spaziergänge hinter sich, auf denen sie sich überlegt hat, welche Psalme auf ihrer Beerdigung gesungen werden sollten, und sie meine dann "Ich glaube, da musste ich einfach durch".

Es wäre nur zu schön, wenn der Wille zum Leben und zum Kämpfen ausreichen würde, um den Krebs zu besiegen. Aber dem ist leider nicht so. Deswegen ist es äusserst wichtig, dass man den Erkrankten nicht ein schlechtes Gewissen beschert, indem man ihnen vorwirft, sie würden nicht genug kämpfen. Keiner weiss, wie Dein Vater in Wirklichkeit innerlich kämpft. Zeige ihm, dass Du an seine inneren Kräfte glaubst, dass Du ihn unterstützt und mitkämpfst.

Ich wünsche Dir und Deinem Vater alles Gute und ganz viel Kraft!

Liebe Grüsse
vom Alpenveilchen
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