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Alt 10.06.2004, 19:37
Gast
 
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Standard Zum Sterben nach Hause geschickt

Lieber Holger,

mit facherlicher Auskunft kann ich leider nicht helfen. Dein Satz, was kann ich für ihn tun, hat mich bewegt, Dir zu schreiben. Bei meiner Mama hat man Darmkrebs mit Leber- u. Bauchhöhlenmetastasen festgestellt und kann medizinisch nichts mehr für Sie tun. Auch sie kehrte "zum Sterben" nach Hause zurück. Z. Zt. lerne ich, dass das, was ich als Gesunde für richtig halte, und ich habe Stunde um Stunde hier gelesen, um zu lernen, bei Ihr auf taube Ohren stößt. Sie als Betroffene hat ein ganz anderes Empfinden. Es fällt mir sehr schwer, Ihre Entscheidungen zu respektieren. Ich versuche nun, Ihr mit viel Liebe und Pflege über den letzten Lebensabschnitt zu helfen. Doch glaube mir, es ist sehr, sehr hart. Man muß lernen, die Würde des Erkrankten nach dessen Maßstab und nicht nach eigenem Denken zu sehen. Vieles, was ich in der täglichen Pflege für wichtig halte, ist Mama vollkommen egal. Oft empfinde ich mich selber als ungerecht, wenn ich meine, es müsse Ihr etwas bedeuten, ob sie frische Wäsche trägt, sauber gewaschen ist und vielleicht nochmal für einige Minuten am Tisch sitzen kann, ob dieses oder jenes den Hunger anregt oder welches Schmerzmittel wirklich helfen könnte usw., statt im Bett zu liegen und auf das erlösende Sterben zu warten. Dann wieder meine ich, es liegt an mir, irgendetwas zu finden, dass sie dazu ermuntert, die letzten Monate so zu kämpfen wie sie es eigentlich ihr ganzes Leben lang getan hat. Ich würde gerne glauben, dass sie die Stärkte hat, die sie nach aussen zeigt, und kann es nicht. Ständig zweifle ich an mir und meine, ich finde nur nicht die richtigen Worte, um an Ihren wahren Gedanken teilhaben zu dürfen.

Ich wünsche Dir, dass Du (wie ich mittlerweile) erkennst, wichtig ist, was Dein Vater akzeptiert..und das müssen wir Gesunden dann akzeptieren. Trotzdem werde ich nicht aufgeben, nach Wegen zu suchen, die meiner Ma ihr Leben erleichtern könnten und von denen ich sie überzeugen kann.

Ich wünsche Dir und Deinem Vater die Kraft, die Ihr in der kommenden Zeit braucht und einen guten gemeinsamen Weg.
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