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Alt 25.04.2012, 17:24
Christina1971 Christina1971 ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Carlotta,

dass Du Dich nach so kurzer Zeit (es sind ja gerade erst drei Monate) noch immer in einem Wechselbad der Gefühle zwischen Nicht-Realsieren-Können und tiefem Schmerz und Trauer befindest, ist doch völlig normal. Diese plötzlichen Gefühlsausbrüche, bei denen Dir die fürchterliche Wahrheit, dass Deine Mama tatsächlich tot ist, bewusst wird, passieren mir nach fast sieben Monaten auch noch immer täglich. Meist kann auch ich dann die Tränen nicht mehr bändigen geschweige denn zurückhalten. Dass wir im Alltag funktionieren müssen, empfand ich zu Beginn als fürchterliche Qual. Inzwischen hilft es mir jedoch etwas dabei, dass meine Gedanken nicht den gesamten Tag über kreisen, und ich hier und da auch wieder schöne Momente empfinden kann. Zu Beginn hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, einen Moment als schön zu empfinden, und konnte und wollte auch gar nichts genießen oder mich an etwas erfreuen.

Auch dass Dein Papa noch nicht angefangen hat, die Sachen Deiner Mama auszuräumen, sehe ich als normal an. Mein Vater hat noch immer Ihr Nachthemd, in welchem sie gestorben ist auf ihrem Bett nebenan liegen. Manchmal riecht er daran, um sie noch einmal irgendwie spüren zu können. Da ich fast dieselbe Kleidergröße habe wie meine Mutter, suche ich mir sogar gelegentlich schöne Stücke aus dem Schrank heraus und trage sie dann. Sie würde sich sicher hierüber freuen. An Wegräumen mag ich noch lange nicht denken.

Der Gang ans Grab ist für viele hier ein großes Problem. Mein Bruder vermeidet es auch, hinzugehen. Bei mir wiederum ist es das totale Gegenteil. Ich empfinde ein sehr großes Bedürfnis, sie zu besuchen. Und es fällt mir schwer zu ertragen, dass ich hier in Hamburg „sitze“ und über 500Km von ihr getrennt bin. Das Holzkreuz mit ihrem Namen ist für mich auch immer wieder ein grausamer Schock und mit unendlich vielen Tränen verbunden. Doch es ist auch eine Hilfe, endlich zu verstehen, dass sie für immer gegangen ist.
Vielleicht kannst Du es mit dem Bepflanzen ja auch positiv sehen, indem Du Dir denkst, dass Du das Grab für Deine Mama besonders schön machen willst. Ich habe gemeinsam mit meinem Vater jede einzelne Pflanze mit viel Liebe ausgesucht und schön eingepflanzt. Hinterher waren wir beide sehr glücklich, und wir waren uns sicher, dass es ihr ganz sicher auch gefallen würde. Vielleicht hilft Dir ja dieser Gedanke.

Ja, ich glaube auch, der Weg für uns alle hier ist noch weit. Und jeder hat seinen eigenen zu gehen, auch wenn von allen Seiten so viel lieber Zuspruch und Unterstützung kommen.

Ganz liebe Grüße

Christina
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