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Alt 27.12.2011, 05:30
Nela01 Nela01 ist offline
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Standard AW: Diagnose Krebs – und ganz allein!

Kurz nach fünf Uhr morgens und ich kann mal wieder nicht schlafen. Die letzten Tage und Nächte habe ich im Internet verbracht und alles über Darmkrebs gelesen, was mir vor die Augen kam. Das meiste hat mich nur noch mehr verunsichert und ich sehe immer noch alles tiefschwarz, trotzdem hab ich beschlossen, den Kopf aus dem Sand zu ziehen und den Kampf anzunehmen. Na ja, wirklich beschlossen hab ich das nicht, aber mir mangels an Alternativen – ich muss es ja tun.

Ich hab mir einiges über Patientenverfügungen angesehen und festgestellt, dass ich falsch lag in meinem Glauben, dass mir – als einziger Angehörigen – die Ärzte automatisch zur Auskunft verpflichtet sind. Daher habe ich mir nun den Vordruck einer „Gesundheitsvollmacht“ runtergeladen. Das ist sowas wie eine Schweigepflichtsentbindung. Dann gibt es noch eine Vorsorge-Vollmacht für rechtliche Dinge und letztendlich die richtige Patientenverfügung. Damit möchte ich mich aber im Moment noch nicht auseinanderzusetzen.

Nun stehen wir noch vor der Entscheidung, in welches Krankenhaus meine Mutter gehen wird. Es gibt bei uns in der Nähe zwei zertifizierte Darmkrebszentren und mehrere Krankenhäuser, die auf Darmchirurgie spezialisiert sind. Unsere behandelnde Ärztin schwört auf die nächstgelegene Klinik (Schwerpunkt kolorektale Chirurgie – allerdings kein zertifiziertes Zentrum). Meine Mutter möchte dort auch gern hin, weil es am nächsten ist, doch ich bin da noch etwas unsicher. So ein Zentrum mit Zertifikat klingt irgendwie kompetenter, aber vielleicht lasse ich mich auch blenden. Womöglich gibt es dort auch ewig lange Wartezeiten.

Am Donnertag steht die nächste Untersuchung an und ich sterbe jetzt schon vor Angst. Es wird eine Sonographie des Bauchraums gemacht und wir bekommen den Befund der Histologie. Nach all den Informationen, die ich jetzt habe, weiß ich, wie sehr Metastasen die Prognose verschlechtern. Und mittlerweile kenne mich auch mit dem Tumor-Staging (TNM) aus. Mir graut es ganz furchtbar vor dem Ergebnis. Meine Mutter hat die Beschwerden schon so lange und die Ärztin hat gesagt, der Tumor sehe „ganz schrecklich“ (ihre Worte) aus. Das verheißt sicher nichts Gutes.

Zurzeit versuche ich meine Angst mit blindem Aktionismus zu bekämpfen. Allerdings hilft es nicht viel: Die Angst bleibt und mit ihr die Schlaflosigkeit. Na ja, so hab ich wenigstens noch die Zeit, mich nebenher um meine kranke Katze zu kümmern. Doch eigentlich benötigt sie noch viel mehr Zuwendung, genauso wie meine Hunde. Alles kommt gerade zu kurz und alles hat sich verändert. Es gab ein Leben vor der Diagnose und eins danach. Ich möchte das „davor“ wiederhaben. Es war auch nicht gerade toll und mit vielen Problemen belastet, aber es war tausendmal besser als das „danach“. Die Angst ist wirklich schrecklich. Sie tut so weh. Gestern bin ich nach nur drei Stunden Schlaf aufgewacht und habe prompt eine Panikattacke bekommen. Ich war klitschnass, mein Herz raste und dachte, ich müsste ersticken. Nach kurzer Zeit ging es wieder weg, aber das scheußliche Gefühl, dass der Alptraum mit dem Erwachen nicht endet, sondern anfängt, das blieb.

Auweia, ich schreibe hier ein Zeug vor mich hin ... entsetzlich. Aber irgendwie muss ich die Nacht ja rumkriegen. Obwohl sie meinetwegen für immer andauern könnte, denn morgen wird auch nur wieder ein blöder Tag. Genauso wie der Tag danach und der danach und der ... Wird es irgendwann mal wieder besser?
Ich werde jetzt mal versuchen zu schlafen. Bei allen Mitlesern entschuldige ich mich für mein Geschwafel. Aber es tut gut, die Gedanken und Gefühle mal loswerden zu können. Zumal ich nicht so viele Möglichkeiten habe, meine Sorgen im Bekanntenkreis auszuschütten. Meine Mutter möchte auch nicht über das Thema sprechen. Sie verschließt sich davor, lenkt sich ab und tut so, als wäre alles in Ordnung. Genauso wie sie es all die Zeit mit ihren Beschwerden getan hat. „Wird schon nicht so schlimm sein“, war ihre Devise. Ich weiß nicht, wie es noch schlimmer werden könnte!
Ich dagegen habe ständig das Bedürfnis darüber zu reden. In jeder Mail schreibe ich, was passiert ist, obwohl ich weiß, dass ich meine Bekannten damit nur belaste. Das ist komisch, denn normalerweise halte ich meine Privatsphäre sehr geheim. Ich bin kein offener Mensch, sondern sehr zurückhaltend und misstrauisch. Und nun begehe ich einen wahren Seelenstriptease. Ich weiß nicht, warum ich das tue, es geht mir dabei nicht um Mitleid oder Floskeln, wie „ihr schafft das“ oder „das wird schon wieder“. So etwas hilft mir überhaupt nicht. Aber ich habe einfach das Gefühl, alles mal loswerden zu müssen.

Ein ganz liebes Dankeschön an alle, die meine Sorgen ertragen und vielleicht sogar verstehen können.

LG Nela
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