Einzelnen Beitrag anzeigen
  #51  
Alt 29.11.2011, 12:43
Carlotta76 Carlotta76 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.10.2011
Beiträge: 171
Standard AW: Meine Mama hat ein Adenokarzinom (Lunge)

Liebe Anja,

vielen Dank - wieder mal - für Deine lieben Worte. Es freut mich immer sehr, wenn ich auf die Seite komme und sehe, dass Du geschrieben hast. Ich übe mich darin, den Moment zu leben. Aber bisher bin ich leider wohl noch nicht sehr gut darin...

Alles Liebe,

Carlotta


Hallo an alle, die hier lesen,

ich möchte mal wieder von meiner Mama berichten: Ich war ja am Wochenende bei meinen Eltern. Meine Mama liegt noch im städtischen Krankenhaus, aber sie hat mit der Station ausgehandelt, dass sie am Wochenende für einige Stunden raus und nach Hause darf.

Ich habe sie dann auch gegen 15.00 Uhr am Samstang abgeholt und war der Meinung, dass ich sie schnellstmöglich auf das Sofa im Wohnzimmer verbringen soll. Aber meine Mama wollte shoppen gehen! Und so sind wir dann in die Stadt gefahren. Ich habe meine Mama, da wir keinen Parkplatz direkt vor dem Kaufhaus bekommen hatten, quer durch die halbe Stadt (die Stadt ist sehr klein) geschoben, und es war ihr völlig egal, dass sie zahlreiche ungläubige und mitleidige Blicke von anderen Passanten geerntet hat. Im Kaufhaus angekommen fuhren wir in die Wäscheabteilung, und meine Mama hat sich mit Nachthemden, einem Hausanzug, einem Bademantel und zahlreichen Socken eingedeckt, damit sie für die Reha gerüstet ist.

Sie hat eine erstaunliche Kondition an den Tag gelegt, und ich war so froh, sie bei etwas zu beobachten, was ihr Spaß macht!

Dann ist sie rüber in die Wäsche-Abteilung gerollt und ließ sich nicht davon abbringen, mir Unterwäsche zu kaufen. Ich habe ihr gesagt, dass sie lieber noch was für sich kaufen solle, dass ich genügend Unterwäsche besäße, aber sie bestand darauf.

Mit zwei fetten Tüten sind wir daheim angekommen, und meine Mama hat sich erschöpft aber glücklich aufs Sofa gelegt.

Es war ein sooooo schöner Tag!

Am Sonntag war ich dann gegen halb zwei bei ihr. Da hatte sie schon seit fast 2 Stunden Besuch von guten Freunden, einem Kollegen- Ehepaar meiner Eltern. Sie hatten meiner Mama ganz viele Seiten ausgedruckt über neuere Erkenntnisse in der Versorgung und Behandlung von Krebspatienten, insbesondere über die Ernährungsweise. Die Informationen hatten sie von ihrer Tochter, die nämlich - im Gegensatz zu mir - in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten ist. Alle zusammen meinten dann, dass sich ja schon sehr viel verändert habe in der Medizin seit ihrer Studienzeit.

Bevor meine Mama Besuch bekommen hatte, erhielt sie einen Ultraschall vom Herzen. Am Sonntag! Denn, das vergaß ich - glaub ich - beim letzten Mal zu erwähnen, in dem letzten Arztbrief der Thoraxklinik stand auch noch "... Verdacht auf Perikardkarzinose..." Wie dies zu der Aussage "... kein Anzeichen auf eine Tumorprogression..." passt, ist mir schleierhaft.

Also, erst Sonographie, dann ein fast zweistündiger Besuch, dann kam ich, und meine Mama musste aufstehen, sich anziehen und nach Hause gefahren werden, das war alles ein bisschen viel. Zuhause angekommen ist sie auf dem Sofa eingeschlafen und wollte dann auch nach ca. 3 Stunden zurück ins Krankenhaus.

Seit Montag bin ich wieder arbeiten. Und heute Morgen bin ich richtig erschrocken, als ich mit meiner Mama telefoniert hatte. Sie war richtig durcheinander und aufgeregt, da sie heute entlassen wird. Sie wusste nicht mehr, dass sie am Donnerstag die Reha antritt, und sie sagte zu mir, sie bekäme heute nichts auf die Reihe. Ich habe gesagt, das mache nichts, dass sie ab jetzt zwei Tage daheim sei und am Donnerstag mit Papa in die Reha führe. Äußerlich war ich ruhig, aber innerlich total angespannt vor lauter Angst. Da war wieder dieses furchterregende Wort in meinem Kopf - Hirnmetastasen. Ich weiß, dass Adenokarzinome der Lunge dazu neigen, cerebral zu metastasieren. Meine Mama weiß das auch. Aber darüber kann ich mit ihr nicht reden, weil sie das nicht will, da dies auch ihre größte Angst ist.

Meine Mama hat am Sonntag Tavor geschluckt, das hat sie schon immer schlecht vertragen. Als sie im August die Pleurodese bekam, war sie in der Klinik unter Tavor auch ziemlich desorientiert. (Auch damals hatte ich gleich an Hirnmetastasen gedacht.) Jetzt klammere ich mich ein bisschen an diese Tavor-Vorstellung, um bei der Arbeit nicht durchzudrehen.

Dieser Krebs "frisst" meine Mama, jeden Tag ein Stück mehr. Und irgendwann (hoffentlich nicht sehr bald) wird er sie "aufgefressen" haben. Damit schneidet er sich aber ins eigene Fleisch, dieser Idiot, denn dann wird auch er aufhören zu existieren.

Die Vorstellung, irgendwann meine Mama nie mehr anrufen zu können, niemals mehr ihre Stimme zu hören, ist für mich nicht zu ertragen. Wenn ich daran denke, habe ich das Gefühl, ins Bodenlose stürzen.

Liebe Grüße

Carlotta