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Alt 07.11.2011, 13:47
ladyfender ladyfender ist offline
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Registriert seit: 24.07.2008
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Standard AW: Das Leben danach

Hallo Altmann!

Du hast es auf den Punkt gebracht.

Verdrängen! Genau DAS ist mein Problem:

Im Gegensatz zu den meisten Mitpatientinnen (die Eine oder Andere trifft man doch irgendwie, irgendwo wieder) schien es mir so, als hätte ich das alles weggesteckt wie eine lästige Erkältung.
Krebs? Okay, passt jetzt nicht so wirklich in meinen Terminkalender, es war schließlich kurz vor Weihnachten, aber ich schaufel mir da was frei. Geht schon irgendwie.
Vier OP's innerhalb weniger Wochen? Das mach ich doch mit links.

Die Brust blieb dran, während alle stöhnten, über Lymphödeme klagten, und den betroffenen Arm nicht hochheben wollten hätte ich für's "Äpfelpflücken" einen Preis verdient. (Klar hatte ich Schmerzen, aber da beisst man die Zähne zusammen und heult nicht)

Die Chemo...gut, das das kein Spaziergang wird war klar.
Aber: Haare sind nur was für Weicheier, die wachsen schließlich wieder. Perücke? Hab ich zwei Stück, schweineteuer (man gönnt sich ja sonst nix) aber einmal getragen und dann blieben sie im Schrank. Ich fand's viel cooler zu zeigen wie schick ich meine Glatze finde. So blöd kann man sein.

Bestrahlung? Auch nicht schön, schließlich bin ich jeden Tag für fünf Minuten Strahlentherapie hin und zurück fast vier Stunden zur Klinik unterwegs gewesen. Aber als die Brust in Fetzen hing, weil Haut verbrannt, habe ich noch Witze gemacht: "Hhhhmmmm....Heute wurde wieder gegrillt, bald bin ich gar!"

Reha? Och nöööö, lass mal....ich will lieber wieder arbeiten. (Dümmer geht's immer.)


Nicht einen Moment lang habe ich daran gedacht aufzugeben und wenn ich in mich hineingehorcht habe war da nichts: Keine Wut, keine Trauer, kein Selbstmitleid, nicht die Frage nach dem Warum. Auch nicht in der ersten Zeit danach...da war wirklich nichts. Oft habe ich mir sogar selbst auf die Schulter geklopft dafür, das ich das so gut verarbeite. Darüber könnte ich, wenn es denn nicht so traurig wäre, heute nur lachen. Von "verarbeitet" kann gar keine Rede sein:
Wenn ich Frauen mit Kopftüchern und Perücken, ohne Wimpern und Augenbrauen sehe, möchte ich (das meine ich wörtlich) schreiend davon laufen.

Und jetzt sitze ich da wie ein Jammerlappen und möchte heulen, am liebsten meinen Alltag an der Garderobe abgeben und sagen: "Ich bin dann mal weg"......geht nicht, ist klar. Aber es ist schon eine kleine Hilfe zu wissen das es anderen auch so geht.
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