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Alt 26.07.2011, 08:27
Sternchenhk Sternchenhk ist offline
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Standard AW: Mein Mann hat Leberkrebs!!!

Liebe Melly,

du hast ja schon recht, mit dem was du schreibst, bis auf eins
Vorbereiten, glaub mir es gibt nichts schlimmeres als zu wissen, jetzt sind es noch 10 Monate - 6 Monate - nur noch Wochen, kannst du dir vorstellen, wie grausam das ist???
Du kannst ja nicht sagen, wir haben nur noch die und die Zeit zusammen, Du kannst keinem die Hoffnung nehmen das es zu Ende geht und ihm den Rest der Hoffnung auch noch zu rauben.

Damals hat der Professor nur mit mir darüber geredet, das mein Mann ca. 1 Jahr noch hat, zu ihm hat man es nicht gesagt.

Weißt Du was das für eine Belastung ist?

Man stirbt mit jedem Schlag mit, die letzten Wochen waren so Hammerhart - der Blutsturz den er bekommen hat, ich dachte nun stirbt er mir unter den Händen weg.

Sehr oft hab ich mir überlegt, was ist den schlimmer, wenn einer tot umfällt oder wenn es über Monate - Jahr geht.
Ich kam zu dem Entschluß, das wenn es über einen langen Zeitraum geht, es so mega hart ist, man ist immer in einem Schock zustand und kommt nicht raus.

Was mir so auf den Keks gegangen ist, wenn dann so Sprüche kommen ... Du konntest in Ruhe abschied nehmen.... Du hattest ja so lange Zeit ... du konntest dich darauf vorbereiten ...

Nichts davon konnte ich, aber auch gar nichts.
Ich habe immer in der Angst gelebt, immer auf, du mußt auf ihn aufpassen, wenn er was gemacht hat, z.b. im Keller, dann hab ich ihn nicht alleine unten lassen, weil ich nicht wusste, was passiert.

Es ist ein Alptraum, zu wissen, das es nur noch so und so lange ist.

Der plötzliche Tod, oder nur ein paar Wochen, klar ist das genau so schlimm, genau so hart, aber man hat die Schockzeit nicht über so einen langen Zeitraum, der Alptraum ist nicht so unendlich lange.

Nachts habe ich immer mit einem Ohr gehört, ob alles ok ist, ich konnte ja nicht mehr richtig schlafen.

Mein Mann hat nie gejammert wenn er wach war, nie ist ein Wort gekommen, das er Schmerzen hat, aber sobald er eingeschlafen ist, hat sein Unterbewusstsein gearbeitet und dann kann, au au au, das war so schlimm für mich, weil ich ihm nicht helfen konnte, ich konnte ihm die Schmerzen nicht ersparen. Ich konnte sein Unterbewusstsein nicht ausschalten.

Wenn er wach war, war er bestens versorgt mit Schmerzmittel, so das er sie nicht spürte oder nur ganz wenig.

Wenn man das alles über so einen langen Zeitraum mit macht ... und dann auch noch die superblöde Sprüche der Menschen anhören muß ... du bist eine starke Frau, klar bin ich das, ich weiß es, aber ich habe ein Herz und das liebt und da kann man nicht stark sein, da ist das Gefühl, das kann man nicht abschütteln, da ist der Zorn, aber auch den kann man nicht leben, da ist die Wut, die kann man nicht los lassen, da ist die verzweiflung, wie geht es weiter.

Das alles über ein Jahr und kein Licht am Ende es Tunels, immer noch eins drauf, immer noch ein Tiefschlag, wieder eine Verschlechterung, es gibt nichts, wo man halt sagen kann, nichts wo wirklich helfen kann.
Wenn der Doc gekommen ist, dann schaute er mich an und sagte, sie haben meine Nummer und können mich immer anrufen, es geht nicht mehr lange, diesesmal ist es sehr schlimm.

Da kannst dann nicht zu deinem Mann reingehen mit Tränen in den Augen und so tun, als ob alles ok ist.

Nicht mal weinen kannst, weil das zieht den anderen runter, das nimmt ihm den letzten Rest, also muß man sich ganz raus nehmen und zumachen, das macht dich selber aber krank, denn deine Seele schreit, will weinen, will zusammenbrechen, aber das geht nicht, du kannst ja nicht mal für ein paar Tage ausbrechen und alles stehen lassen, das geht nicht.

Mein Arzt sagte zu mir, ich schicke ihren Mann für ein paar Tage in die Klinik mit dem Vorwand, das noch ein paar Untersuchungen gemacht werden, so kommen sie ein bisschen zur Ruhe, aber das konnte ich nicht, ich wollte es auch nicht.

So könnte ich jetzt viele Seiten davon schreiben, ja, ich bin eine starke Frau, ja ich meistere auch jetzt mein Leben, ich schaffe es ja, aber meine Seele ist so sehr verwundet, so voller Narben und Schmerzen und da gibt es kein Zaubermittel.

Die Zeit heilt alle Wunden, wie oft hab ich das nun schon gehört, das weiß ich ja selber, das alles ein bisschen ruhiger wird, das der Schmerz mal nachlässt, das man sich an umstände gewöhnt, das ist der Schutz den jeder Mensch mitbekommen hat, aber die Zeit vergeht so langsam und das was war ist so lebendig, so als wäre es erst gestern.

Liebe Melly, ich danke Dir für deine Worte, sie haben in mir viel bewirkt und mich dazu gebracht, jetzt hier das zu schreiben.

Liebe Grüße
Helga
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