[undine]

Lieber Reinhard,

letzte Nacht bin ich dir untreu geworden, Verzeihung

Anstatt meinen mitternächtlichen Gruß da zu lassen, habe ich tatsächlich ein paar Zeilen an meinem Roman geschrieben. Der lag seit November (Erstdiagnose meiner Ma) in der Schublade und schimmelte vor sich hin.

Der Grund, warum ich wieder angefangen habe, daran zu schreiben, war eigentlich der, dass ich einen alten Zettel gefunden habe, auf dem ich vor zwei Jahren einem Traum notiert habe.

Und jetzt kommt's - Gänsehaut pur: In diesem Traum beschrieb ich ein Wartezimmer, auf dem man auf einem Stuhl sitzt, mit anderen Menschen - zufällig zusammengewürfelt - und auf den Tod wartet. Irgendwann wird dann man aufgerufen und ins Universum herauskatapultiert, so etwa wie mit einem Schleudersitz.

(Auf der Kirmes müsste man sicherlich viel Geld für so eine Erfahrung zahlen )

Gruselig ist es vor allem, weil du ja genau so eine Metapher beschrieben hast! Also, habe ich das zweite Gesicht?

Ich hoffe mal nicht, denn in meinem Traum war ich die erste, die aufgerufen wurde, diesen Planeten zu verlassen.

Aber eigentlich ist es doch egal, welche Nummer wir im Warteraum gezogen haben, denn dran kommen wir alle. Und wenn wir schon alle - ob krank oder nicht - da sitzen, dann sollten wir uns die Zeit doch schön gestalten.

Ich habe für mich beschlossen, dass ich etwas "da lassen" will. Wenn schon keine Kinder, keine Millionenvermögen und keinen schlechten Eindruck, dann bitte schön, diese Geschichte, die ich in meinem Kopf habe, und die endlich ein fertiger Roman werden soll.

Du, lieber Reinhard, wirst jetzt auch Teil dieses Romans. Ich habe einer meiner männlichen Hauptperson einen "Reinhard-Anstrich" gegeben. Er hat deinen trockenen Humor, du würdest ihn mögen, gäbe es ihn wirklich.

Ich hoffe sehr, dass du heute einen etwas besseren Tag hattest und sende dir ganz liebe Grüße!