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Alt 24.01.2011, 16:43
Christina1971 Christina1971 ist offline
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Standard AW: Bin rat- und hilflos

Liebe MaunaLoa,

ich kann Deine Gefühle genau nachempfinden, da ich mich in einer ähnlichen Situation befinde. Meine Mutter ist letztes Frühjahr an Eierstockkrebs erkrankt hat jedoch, nach einigen Tiefs, die Chemotherapie sehr gut überstanden. Die Ergebnisse waren sehr gut, wir waren alle glücklich. Doch nicht einmal ein halbes Jahr später, im letzten Dezember, war der Rezidiv da. Das Loch, in welches sie gefallen ist, war riesig. Dazu kommt, dass die Nebenwirkungen der neuen Chemo sehr unangenehm und schmerzhaft sind.

Auch ich habe Probleme mit der ganzen Situation umzugehen, leide sehr mit ihr, und mein Leben fixiert sich fast nur noch auf sie und diese Krankheit. Hat sie einen etwas besseren Tag (sofern man überhaupt von besser sprechen kann) bin ich überglücklich, hat sie einen schlechten Tag, so fühle ich mich auch mies und traurig. Leider hat meine Mutter es bis heute abgelehnt, sich psychologischen Beistand zu holen. Sie verarbeitete die Misere bisher gemeinsam mit meinem Vater und mit sich selbst. Ich kann nicht sagen, welcher Weg der bessere ist.
Ich halte es momentan noch ohne Medikamente oder therapeutische Hilfe aus durchlebe aber ebenfalls schlimme Phasen der Traurigkeit und Hilflosigkeit. Mir hilft dieses Forum sehr, wenngleich ich nicht der größte Schreiber bin. Doch das Lesen von anderen Betroffenen und Angehörigen gibt mir eine Stütze und die Gewissheit, nicht alleine auf der Welt mit diesem Übel dazustehen. Das Lernen über die Krankheit, die Therapien und die Medikamente nimmt mir ein wenig die Angst vor dem Fremden. Die Sprache der Ärzte kommt mir nicht ganz wie Chinesisch vor, und die Reaktionen ihres Körpers auf die Chemo kommen nicht gänzlich unvorbereitet. Doch schlussendlich fühle auch ich mich immer wieder wie ein Häufchen Elend und habe große Angst vor der Zukunft.

Ich habe wie Du das Problem, räumlich getrennt von meinen Eltern zu leben. Sie wohnen ca. 600 km entfernt, was mir nicht selten ein schlechtes Gewissen bereitet und meine Sehnsucht, sie zu sehen, ins Unermessliche wachsen lässt. Ich reise zwar häufig hin kann jedoch nicht jedes Wochenende dort sein. Wobei ich auch sagen muss, dass mich meine Mutter manches Mal sogar bittet, nicht zu kommen, damit mir meine Kräfte für mein eigenes Leben nicht ganz schwinden. Also schreibe ich ihr oft Briefe und schicke hin und wieder Blumensträuße zur Aufmunterung, worüber sie sich sehr freut. Telefonieren strengt sie eher an und belastet sie mehr, als dass es ihrer Seele gut tut. In der Regel deprimiert es sie, wenn immer wieder Freunde und Bekannte mit der selben Frage, wie es ihr gehe, anrufen, und sie immer wieder mit weniger positiven Nachrichten antworten kann.

Ein Rezept, wie man mit allem umgehen kann, gibt es wohl nicht. Ich denke, es ist gut und hilft schon eine Menge, ihr die Gewissheit zu geben, dass Du für Deine Mutter da bist, wenn auch nicht immer in physischer Anwesenheit. Sie spürt, dass Du sie nicht im Stich lässt.
Meine Mutter hat mir schon oft gesagt (in Momenten, in denen es ihr seelisch besser ging), es sei wichtig für sie zu wissen, dass ich mein Leben trotz allem weiterlebe und Freude habe. Ihr helfe es nicht zu sehen, wie ich vor Kummer und Sorge vergehe und eventuell daran erkranke oder meine Partnerschaft daran zerbricht. Sie möchte ein Stück weit Normalität und nicht jeden Augenblick an ihre Krankheit erinnert werden.

Ich wünsche Dir viel Kraft

Viele Grüße
Christina
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